12. September 2014

Kasachstan Tag 126 - 138 / teures Steppenland

Gleich hinter den Grenztoren wartet eine zwielichtige Menge Geldwechsler auf uns, die unsere Dollar zu so einem unverschämt schlechtem Kurs wechseln wollen dass wir lieber ohne Kasachische Tenge im Geldbeutel nach der nächsten Tankstelle suchen. Es ist bereits stockdunkel als wir über die holprige Straße Richtung Norden fahren, in der Hoffnung eine Zapfsäule zu entdecken bevor der letzte Tropfen Diesel verbraucht ist. 

Nach ein paar zittrigen Kilometern taucht im Niemandsland eine kleine Siedlung mit Tankstelle auf und der Tankwart den wir dort antreffen ist unsere Rettung. Als er sieht dass wir Touristen sind überschlägt er sich fast vor Freude und setzt alle Hebel in Bewegung um uns zu helfen. Erst mal bekommt Knut endlich was zu trinken und bezahlen können wir mit Dollar. Das Restgeld bekommen wir in kasachischer Währung zurück, so dass wir sogar noch unseren eigenen Durst und Hunger stillen können. Glücklich und zufrieden laden wir den netten Tankwart zum Dank in das Café nebenan auf ein spätes Abendessen ein. 


Er ist ein wahrer Meister der Gesten, ein geborener Pantomime denn obwohl er kein Wort Englisch spricht und wir kein Kasachisch, unterhalten wir uns prima über unsere Familien, unseren Beziehungsstatus, die Reise, das Leben in Kasachstan und Deutschland u.s.w. 
Leider können wir uns seinen Namen nicht merken und taufen ihn einfach „Captain“ nachdem wir ihm Danny’s Mütze schenken.



So kommt es dass wir die Nacht an der Tankstelle verbringen und am nächsten morgen mit unserem neuen Freund die Familie seines Bruders auf dem Bauernhof besuchen.  Während Danny mit ihm Melonen und Kürbisse erntet stellen die Kinder mir alle Tiere vor.





Beladen mit einem Melonen Vorrat der uns für die nächste Woche reicht verabschieden wir uns von Kindern und Tieren um mit dem Captain Angeln zu fahren. Nach Danny’s bisherigen mäßigen Erfolgen haben wir wenig Hoffnung diesmal Fisch auf der Speisekarte zu haben. Aber ein Versuch ist es auf jeden Fall wert, vor allem da der Captain uns den besten Angel-Weiher der Gegend verspricht.



Auf dem Weg zum See hoffe ich dass er nicht übertrieben hat und am Ende der unglaublich staubigen Piste Millionen von hungrigen Fischen auf uns warten. Verstaubt und schwitzend machen wir uns in der größten Mittagshitze auf zum Ufer. 



Eigentlich dachten wir dass Fische am besten morgens und abends anbeißen, aber die Kasachische Gattung ist wohl vor allem mittags hungrig - denn kaum hält Danny den Haken mit dem Wurm in’s Wasser beißt auch schon das erste Fischchen an! 



Zugegeben ist er etwas klein geraten, aber in der nächsten halben Stunde beißen die Fischlein im Minuten-Takt an, so dass wir eine ordentliche Portion für’s Abendessen zusammen bekommen. Endlich mal ein richtiger Angel-Erfolg, auch wenn wir den Preis dafür noch zahlen werden...

Denn zurück im Dorf steuern wir als erstes eine Autowäsche an um Knut vom Dreck zu befreien. Dort erkennen wir erst das ganze Ausmaß der Steppen-Partie: Der feine Staub hat sich durch sämtliche Ritzen und Spalten seinen Weg in’s Innere des Autos gebahnt und sich überall niedergelassen: eine dicke gelbe Staubschicht bedeckt unser Bett, die Sitze, die Möbel… nicht einmal die Sachen in den Schränken sind verschont geblieben; kurz und gut: es ist ALLES dreckig!
Wir räumen das gesamte Auto aus, legen all unsere Habseligkeiten auf eine große Plastikplane und wischen jeden Gegenstand ab. Die Matratzen müssen ausgeklopft werden, das gesamte Mobiliar wird abgestaubt und in jeder Rille gestaubsaugt so gut es geht. Geschlagene 3 Stunden sind wir damit beschäftigt Knut wieder einigermaßen staubfrei zu bekommen - bei über 40°C keine besonders erfreuliche Arbeit.
Der Capitain packt tatkräftig mit an und wir laden ihn zum Dank auf ein Paar Spieße Schaschlik ein, bevor wir ihn anschließend nach Hause bringen und uns von ihm verabschieden. 



Auf unserem weiteren Weg Richtung Almaty schlafen wir neben einem Fluss und hauen die Fischlein in die Pfanne. Leider sind die kleinen Viecher alles andere als ein Gaumenschmaus und wir essen gerade mal die Hälfte vom Fang. Der Rest landet samt Panade und Entschuldigung im Fluss.



In unserem Reiseführer haben wir gelesen, dass man sich innerhalb von 3 Tagen in Kasachstan registrieren lassen muss. Ansonsten läuft man Gefahr ausgewiesen zu werden. Wir machen also Halt in der nächsten Stadt Shymkent, um uns den besagten Stempel zu besorgen. Doch wo und wie genau, das sagt der Reiseführer uns nicht, so dass wir ziemlich Plan- und Orientierungslos durch das Stadtzentrum latschen. Plötzlich spricht uns ein junger Mann in perfektem Deutsch an und bietet uns seine Hilfe an. Welch glücklicher Zufall, denn ohne ihn wären wir wahrscheinlich noch Stunden lang herumgeirrt. Er findet im Handumdrehen die Telefonnummer des Immigrationsbüros heraus und erkundigt sich, wie wir weiter vorgehen müssen. Wie sich herausstellt ist die Sache mit der Registrierung Schnee von gestern und wir müssen uns nicht weiter die Hacken wund laufen. Stattdessen verbringen ein paar Stunden im Gespräch mit unserem Retter. Er hat fünf Jahre lang in Aachen Raumfahrttechnik studiert, bevor er aus gesundheitlichen Gründen zurück nach Kasachstan musste. Mittlerweile ist sein Stipendium und damit auch seine Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen, obwohl er sein Studium noch nicht beendet hat. Wir drücken ihm fest die Daumen dass er ein Folge-Stipendium bekommt, denn sein Herz schlägt stark für unsere Deutsche Heimat und er wünscht sich nichts mehr als dorthin zurückkehren zu können. 


Die nächsten zwei Tage sind wir fast ununterbrochen am Autofahren um nach Almaty, der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans zu kommen. Die Straßen sind mal wieder alles andere als erfreulich; in vielen Abschnitten wird gebaut und die Umleitungen gehen quer über bucklige Sandpisten. 



Erwähnenswert sind die Parkplätze neben den Hauptstraßen: hier findet man überall Rampen mit einem Graben in der Mitte, so dass man Pannen am Auto unterwegs selber reparieren kann. Bei den vielen alten Karren die hier unterwegs sind, ist das wahrscheinlich auch notwendig. 


Was uns allerdings sehr erfreut ist die Begegnung mit zwei Oldtimer LKWs aus Holland. 




Die vier Herren haben sich ihren Traum erfüllt und sind mit ihren wirklich außergewöhnlichen Wagen bis nach Beijing gefahren.


Am selben Tag schleppen wir noch einen netten jungen Mann ab, dessen Auto den Geist aufgegeben hat und verdienen uns damit eine leckere Suppe zum Mittagessen. 



Abends finden wir einen Stellplatz mit wunderschön kitschigem Sonnenuntergang an einem kleinen See. Eine herrlich romantische Idylle. 




Bis Danny mich mitten in der Nacht aufweckt und ich den bestialischen Gestank bemerke der sich überall breit gemacht hat. Der See verwandelt sich scheinbar des Nachts in eine riesige Kloake. Es stinkt noch viel schlimmer als damals am türkischen Bafa-Gölu und an weiter schlafen ist nicht mehr zu denken.  

So kommt es dass wir um 2:00 Uhr nachts zurück auf der Autobahn sind und weiter Richtung Almaty gurken. Allerdings nur bis die Müdigkeit uns doch übermannt und wir auf einen ruhigen Feldweg neben der Hauptstraße abbiegen. Als ich morgens die Schiebetür öffne schwärmen tausende Fliegen an mir vorbei und machen es sich im Knut gemütlich. Kurz darauf kann ich den Grund für die Invasion riechen: wir parken direkt neben einem Klohäuschen! Das nennt man dann wohl eine echt beschissene Nacht. 



Nachmittags erreichen wir endlich die alte Hauptstadt Almaty, wo wir ein paar notwendige Besorgungen machen und uns ein ziemlich luxuriöses Mittagessen in einem Biergarten genehmigen. Zumindest sind die Preise sehr luxuriös - die Schaschlik-Spieße schmecken eigentlich genauso wie überall sonst. 



Nach der langen Fahrerei der letzten Tage gönnen wir uns ein paar erholsame Tage in den Bergen südlich der Stadt. Die Gegend erinnert uns stark an die Alpen und wir bekommen fast ein bisschen Heimweh nach unserem schönen Bayern.



Nur die Wanderwege hier sind… naja, sagen wir etwas liebloser als daheim: um an einen hoch gelegenen Bergsee zu gelangen folgen wir drei Stunden lang einer riesigen Wasserleitung die schnurstracks den Hang hinauf führt. Die meisten Einheimischen erklimmen den Berg sogar AUF dem monströsen Rohr, das ist uns dann aber doch zu wenig naturverbunden. 
Der Ausblick auf den See entschädigt uns später für den langweiligen Aufstieg, zumindest für einen kurzen Moment - denn als wir am Ufer unsere Brotzeit auspacken wollen, werden wir umgehend von einem Polizisten und seiner schrillen Trillerpfeife vertrieben.



Auf dem Schild, das wir natürlich übersehen haben weil wir es sowieso nicht lesen können, steht anscheinend dass man sich dem See nicht nähern darf. Später erfahren wir auch den Grund dafür: Wir befinden uns hier im Grenzgebiet zum Nachbarland Kirgistan und das darf man nur mit einer Sondererlaubnis betreten. In diesem Moment vermissen wir Bayern und unser grenzenloses Europa noch ein bisschen mehr. 

Nun gut, das mit dem Wandern lassen wir danach bleiben und hängen die nächsten zwei Tage gemütlich am Fluss ab. 



Wie immer gibt es ein paar Kleinigkeiten am Auto zu reparieren. Dieses mal versucht Danny die Zentralverriegelung wieder in Gang zu kriegen.

Als wir all unsere Vorräte aufgegessen haben und uns ein bisschen öde wird, fahren wir zurück in die Stadt. Wir schlendern durch die Straßen und staunen über die vielen Luxus-Boutiquen, die teuren Cafés und die modernen Gebäude. Im Supermarkt sind wir anhand der riesengroßen Auswahl fast ein bisschen überfordert. Es gibt Unmengen importierte europäische Waren, zu Preisen dass wir mit den Ohren schlackern. Nach all den günstigen Ländern die wir in den letzten Monaten bereist haben schockiert uns der Kassenbon geradezu. 

Mit vollem Kühlschrank und leerem Geldbeutel machen wir uns später auf den Weg Richtung Norden. Wir wollen zu einem großen See der laut Reiseführer wie ein kleines Meer sein soll - hohe Dünen, lange Sandstrände, perfekte Badetemperatur… klingt gut! 



Wie wir gleich bei der Ankunft erfahren ist es vor allem sehr, sehr sandig - fast ein bisschen zu sandig findet Knut und fährt sich auf dem Weg zum Strand glatt in der Düne fest.



Kein Problem denken wir, dafür haben wir ja die Sandbleche auf dem Dach, endlich kommen die Dinger mal zum Einsatz. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht… Beim ersten Versuch kommen wir zwar ein Stück vorwärts und die Reifen sind wieder frei, allerdings gibt es keine Möglichkeit zu Wenden. Wir müssen also rückwärts noch mal durch die selbe weiche Stelle und fahren uns dabei noch schlimmer fest als beim ersten mal. 
Zwei junge Kerle kommen dazu und versuchen uns mit gut gemeinten Ratschlägen, kraftvollem Anschieben und ein paar Bier zu helfen. Doch beim dritten Versuch die Stelle rückwärts zu passieren driften wir gefährlich nahe an den Rand der Düne, so dass Knut in bedenklicher Schräglage zum Stehen kommt und nun komplett auf dem Sand aufsitzt. Jetzt ist klar: hier kommen wir alleine nicht mehr raus! 
Unsere Helfer rufen einen befreundeten LKW Fahrer an, der wenig später mit seinem 6x6 KAMAZ die Dünen durchpflügt und Knut im Handumdrehen aus der misslichen Lage befreien kann. Seit dem wird jeder vorbeifahrende KAMAZ bewundert und Danny träumt davon selber mal so einen russischen Super-Truck zu fahren. 

Zumindest hat sich das Abenteuer gelohnt: Die folgenden Tage die wir am See verbringen sind traumhaft schön. Der Strand ist Kilometerlang und perfekt für ausgiebige Spaziergänge, Grillabende, Frisbee-Turniere und eine weitere Auto-Teile-Reperatur… Einfach sau-gemütlich! 







Danach haben wir genug gesehen von Kasachstan und beschließen uns auf den Weg nach Kirgistan zu machen, wo Berge, Seen und wilde Pferde auf uns warten.



Kurz vor dem Grenzübertritt steuern wir noch eine Tankstelle an, um noch einmal vom günstigen Dieselpreis zu profitieren. Wir stellen uns in die Warteschlange hinter einen türkischen LKW, träumen von den tollen Naturerlebnissen die uns bevorstehen, als der Fahrer vor uns plötzlich den Rückwärtsgang einlegt und…. 

*** was danach geschah wisst ihr ja bereits*** 

An dieser Stelle muss mal gesagt werden dass wir unsere Reise nach wie vor in vollen Zügen genießen. Von den paar unvorhergesehenen Zwischenfällen lassen wir uns nicht verrückt machen, auch wenn sie im ersten Moment vielleicht wie eine Katastrophe erscheinen. Aber es findet sich immer ein Weg die Probleme zu regeln und meistens ist es sogar so, dass uns ein unplanmäßiges Abenteuer direkt zu einer unerwartet schönen Situation führt. Wir nehmen's wie die Fische im Wasser und schwimmen einfach mit der Strömung!

Ach ja, eines noch: Mittlerweile haben wir schon über 11.000 Seitenaufrufe auf unserem Blog gehabt! Es freut uns riesig dass wir so viele treue "Mitreisende" haben. 


Kleines statistisches Zwischenfazit nach 132 Tagen:

  • besuchte Länder: 9
  • gefahrene Kilometer: 15.000 km
  • Werkstattbesuche: zu viele! (ca. 14, wir haben aufgehört mitzuzählen) 
  • Pannen: 0 
  • Festgefahren: 1
  • Unfälle: 1
  • Polizeikontrollen: 25 (1 mal in der Türkei, 6 mal im Iran, 5 mal Turkmenistan, 8 mal in Usbekistan, 5 mal in Kasachstan)
  • kriminelle Zwischenfälle: 1

4 Kommentare:

  1. Hallo!
    Wo sind Sie jetzt? Gruesse aus Schimkent :)

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  2. Hallo Sagyn,
    momentan sind wir in Bishkek um einige VISA zu bekommen und unsere Freundin vom Flughafen abzuholen. Schön von Dir zu hören ;-) Wir drücken Dir weiter fest die Daumen, dass Du Dein Studium in Deutschland hinbekommst!

    Lieben Gruß

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  3. Nochwas Sagyn,
    könntest Du uns bitte Deine Email Adresse und Telefonnummer an
    knut.en.route.gmail.com
    schicken? Wir bräuchten Deine Hilfe für ein Problem in Kasachstan ;-)

    Lieben Dank,
    Laura, Danny und Knut

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  4. sorry: knut.en.route@gmail.com ;-)

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