31. Juli 2014

Turkmenistan / Tag 109-110: Sowjet Flair im Wüstenstaat

Der Grenzübertritt auf Iranischer Seite funktioniert reibungslos und der nette Grenzbeamte macht uns nicht mal Ärger als er bemerkt dass unsere Papiere bei der Einreise falsch gestempelt wurden. Er freut sich dass es uns im Iran so gut gefallen hat und wünscht uns eine gute Weiterreise. 


Ganz anders auf Turkmenischer Seite. Die Militärs an der Grenze haben nicht mal ein Lächeln für uns übrig. Während Danny sich um diverse Steuer-, Registrierung- und Sonstwas-Gebühren kümmert, muss ich brav neben dem Passhäuschen warten und darf mich keine 2 Meter vom Platz bewegen. Nach einer Stunde kommt mein Mann endlich zurück, allerdings sehe ich sofort dass etwas nicht stimmt. Er ist stinksauer und fängt an mit den Beamten zu diskutieren. Scheinbar wollen sie 180$ Gebühren von uns haben, weil unser Auto kein Auto, sonder ihrer Meinung nach ein Truck ist. Wir versuchen vergeblich zu erklären dass wir gar keinen LKW-Führerschein haben, das Auto auf 3,5t zugelassen ist und gerade mal so groß wie die Führerkabine eines Trucks ist - ohne Erfolg. Die grimmigen Uniformierten bestehen darauf dass unser Knut ein LKW ist weil er nur zwei Sitze hat… Komische Logik, aber irgendwann geben wir uns geschlagen, bezahlen die horrenden Gebühren und fahren schnaubend zum Auto-Check. 

Das läuft dann auch recht umständlich und alles andere als freundlich ab: Wir müssen den Bus über die Grube fahren und dann den Kofferraum ausräumen… Danny steht im Spagat hinter dem Auto, unter ihm die 2m tiefe Grube und hebt die schweren Kisten raus. Das lass ich mir nicht länger gefallen, ich hätte doch gerne noch länger was von meinem Mann und mache den Beamten klar dass diese Aktion lebensgefährlich und hirnrissig ist. Das sehen sie dann sogar ein und wir dürfen die restlichen Kisten auf dem Parkplatz ausräumen. Wir werden gefragt ob wir Waffen oder Drogen mitführen und alle Schränke werden genauestens unter die Lupe genommen. Natürlich finden sie nichts Verdächtiges und lassen uns nach 6 Stunden endlich in’s Land einreisen. Das war mit Abstand der nervigste und vor allem teuerste Grenzübertritt bis jetzt. Wir fangen schon an die lieben Iranis zu vermissen…


Doch die Aussicht auf ein schönes, legales, kaltes Feierabendbier hält uns die bevorstehenden 100km bei Laune. 


500m hinter der Grenze beginnt auch schon die Wüste, es windet ganz ordentlich und der Staub fegt uns um die Ohren - wir fragen uns wie dieser verrückte Staat auf die Idee kommen kann nur saubere Autos in’s Land zu lassen. Wohin die horrenden Maut-Gebühren fließen die man bei der Einreise bezahlt ist uns ebenfalls ein Rätsel - ganz offensichtlich nicht in den Straßenbau. Die Straße ist mehr Schlagloch als Highway, teilweise fehlt der Asphalt sogar komplett und Danny hat beide Hände voll zu tun Knut in Schlangenlinien über die Piste zu steuern. 


In der Dunkelheit wird die Straße dann so gefährlich, dass wir Halt an einem Truckstop machen und beschließen die Nacht über hier zu bleiben. Der Abend in der Trucker-Kneipe entschädigt uns dann doch noch für den unangenehmen Grenzübertritt und die schrecklichen Straßen: erst mal bestellen uns zwei Bier - herrlich lecker! Danach dauert es nicht lange und ein netter Turkmene beweist uns dass nicht nur der Iran ein gastliches Land ist: er lädt uns zu sich an den Nebentisch auf eine Flasche Wodka ein.
Bier-seelig und Wodka-trunken torkeln wir Stunden später in die Koje.


Da wir nur ein Transit-Visa für Turkmenistan bekommen haben dürfen wir die Hauptstraße nicht verlassen und müssen auf direktem Weg zum Grenzübertritt nach Turkmenabad fahren. Unterwegs lassen wir in einer Werkstatt noch den abgerissenen Schlauch der Scheibenspritzanlage reparieren und sind mal wieder erstaunt wie schnell die Jungs hier arbeiten und dass sie am Ende nicht mal Geld für die Reparatur haben wollen. 

Außer Straße sehen wir nicht viel von Turkmenistan, aber das Cafe in dem wir zu Mittag essen bietet uns ein echtes Highlight bezüglich sowjetisch-turkmenischem Designmix. 



Wir gehen noch ein letztes mal Tanken und füllen alle Kanister randvoll - in Usbekistan scheint es nur auf dem Schwarzmarkt Diesel zu geben, zu horrenden Preisen und in miserabler Qualität. Hoffentlich sind die Toiletten wenigstens wieder etwas besser…




Als wir die erste Kamel-Herde auf unserem Weg sehen freuen wir uns wie kleine Kinder, halten an und bekommen eine Wassermelone geschenkt. 




Nach 300 heißen, staubigen Kilometern durch die Wüste kommen wir in Turkmenabat an, wo sich gleich zwei junge Mädchen auf uns stürzen die perfekt Englisch sprechen. Sie sind ganz wild darauf mit Ausländern zu quatschen und laden uns auf Samsas ein, kleine mit Fleisch gefüllte Pasteten.

Wir stellen Knut auf dem Parkplatz vor einer Kneipe ab, trinken noch ein Bier an der Bar und freuen uns über den Alleinunterhalter der alte Hits auf dem Keyboard zum besten gibt. 


In der Früh werden wir unsanft von einem vermeintlichen Security-Mann geweckt. Er klopf wie wild an unsere Tür und ruft immer wieder „Mister, Mister..“ 
Er hatte wohl einen fetten Braten gerochen. Denn er verlangt freche 5$ von uns, dafür dass er nachts den Parkplatz bewacht hat… Wir lachen ihm mindestens genauso frech in’s Gesicht und schütteln den Kopf. Wir verweisen auf den Kneipenbesitzer der uns die Erlaubnis zum übernachten gegeben hat. Er macht sich daraufhin wieder vom Acker und lässt uns in’s Ruhe Kaffetrinken. 


Nach dem Frühstück fahren wir zur Grenze und reisen nach gerade mal 36 Stunden ohne Probleme wieder aus. Goodbye Turkmenistan - welcome to Usbekistan! 


28. Juli 2014

Iran / Tag 84 bis 108 - my love Iran


Als wir in Tehran ankommen sind wir überwältigt von den Blechlawinen die sich durch das unübersichtliche Straßennetz der Millionen-Metropole schieben. Es gibt scheinbar keine Verkehrsregeln - zumindest keine an die man sich hält. Wir mittendrin, immer nach dem Motto „go with the flow“.  Danny verinnerlicht das System recht schnell und wir kommen erstaunlich gut durch, ganz ohne Blechschaden. Das mag freilich auch daran liegen dass Knut überall sofort auffällt und die Iraner sehr darauf Bedacht sind ihre Touristen gut zu behandeln - das heißt auch im Verkehr auf Abstand bleiben. 



Als wir einen älteren Herr nach dem Weg fragen scheint er genauso orientierungslos zu sein wie wir -  er kann uns leider nicht weiter helfen, aber ein paar Gurken gibt er uns trotzdem mit auf den ungewissen Weg :-) 



Als wir endlich bei unseren Freunden Mina und Hadi ankommen, fühlen wir uns sofort wie zuhause. Wir können duschen solange wir wollen, die Waschmaschine benutzen und unser Bett im Gästezimmer ist auch schon hergerichtet. 



Die Tage verbringen wir meist im klimatisierten Appartment, kochen abwechselnd deutsche und iranische Spezialitäten, tauschen uns über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in unseren jeweiligen Ländern aus und haben haben dabei immer eine Menge Spaß.



Hadi zeigt uns den riesengroßen Bazar und hilft uns bei allen notwendigen Besorgungen. 





Mit Mina besuchen wir die Juwelen-Sammlung der alten persischen Könige. Im Hochsicherheits-Trakt der Nationalbank kann man die wertvollste Edelstein-Sammlung der Welt besichtigen. Selbst bei alten Museums-Allergikern hinterlassen all die Kronen, Diademe und mit Juwelen besetze Säbel einen bleibenden Eindruck.

Ansonsten gibt es in Tehran nicht viel zu tun, die Stadt hat keine weiteren Highlights zu bieten und der Smog ist im Hochsommer so aufgeheizt dass es kaum zu ertragen ist. Einzig auf dem „Dach von Teheran“  ist es nach Sonnenuntergang angenehm kühl und der Ausblick ist auch nicht schlecht.  



Um die diversen Visa zu beantragen die wir für die Weiterreise brauchen, müssen wir uns allerdings länger in der Stadt aufhalten als uns lieb ist. Eigentlich brauchen wir nur das Touristen-Visum für Usbekistan und das Transit-Visum für Turkmenistan. Keine große Sache sollte man meinen…  
Aber der erste Anlauf beim usbekischen Konsulat läuft gleich mal schief. Wir sind über-pünktlich um 7:00 vor der Botschaft und reihen uns in die lange Warteschlange ein. Als wir um 10:00 endlich an der Reihe sind verkündet uns die Dame beim Konsulat dass wir neben all den Antragsformularen, Passkopien und Fotos auch noch ein Empfehlungsschreiben der Deutschen Botschaft brauchen. 
Also Taxi geschnappt, zur deutschen Vertretung am anderen Ende der Stadt gepest, Zertifikat beantragt und gewartet… Nach einer Stunde und 70€ ärmer hatten wir den Wisch in der Tasche, aber die usbekische Botschaft hatte da schon geschlossen. 

Tags darauf beim zweiten Anlauf können wir den vollständigen Antrag abgeben. Allerdings ist die Information dass die Bearbeitung 8 Tage dauert wenig erfreulich - hatten wir doch im Internet gelesen dass man das Visum innerhalb eines Tages bekommt. Unser Flehen, Betteln und die Bestechungsversuche prallen an der eisernen Botschafter-Lady ab, so dass wir gezwungen sind unsere Reiseplanung nun nach der Visa-Wartezeit zu richten. 


Wir beschließen in der Warte-Woche nach Esfahan zu fahren, dort unser Iran-Visum zu verlängern, dann ein zweites mal nach Tehran zurück zu kommen um das usbekische Visum abzuholen und das Transit-Visum für Turkmenistan zu beantragen (dieses kann man nämlich erst beantragen wenn man das Visum für Usbekistan im Pass kleben hat). 
Soweit der Plan - es sollte aber mal wieder alles anders kommen…



Erst mal quälen wir uns sieben Stunden durch die Wüste nach Esfahan. Der Mangel einer Klima-Anlage macht uns doch etwas zu schaffen - vor allem wenn wir das Heizgebläse aktivieren müssen um das Kühlwasser bei 50° Außentemperatur wieder etwas runter zu kühlen. 




Auch Sightseeing macht im Hochsommer begrenzt Spaß, wir besichtigen nur das Zentrum und schlafen dann den ganzen Nachmittag im Hotel. 






So ähnlich machen das die Einheimischen wohl auch, besonders während dem Ramadan. Tagsüber ist der wunderschöne Meiden e Eman, einer der größten Plätze der Welt, wie leer gefegt. Doch sobald die Sonne untergegangen ist, verwandelt er sich in ein Picknick- und Erlebnis-Paradies. 





Überall werden Plastikteppiche ausgebreitet, Tee gekocht, Melonen geschnitten und Wasserpfeife geraucht. Pferdekutschen rasen um den Platz, Kinder veranstalten Fahrradrennen und Männer spielen Backgammon oder Volleyball. Wir mischen uns unters Volk, werden zum Hot-Dog Essen und Tee-Trinken eingeladen und genießen die friedliche Atmosphäre. 


Die Visa-Extension in Esfahan klappt am nächsten Tag nur mit viel Gebettel und der Hilfe eines ranghohen Beamten. Zuerst stellt dieser sich stur und behauptet er könne unser Visa erst verlängern wenn es abgelaufen sei. Wir haben natürlich ganz andere Infos im Internet gefunden und beknien ihn uns zu helfen. Mit der Masche „wir lieben dieses wundervolle Land und wollen es so gerne noch viel länger bereisen…“ können wir ihn von der Dringlichkeit unseres Anliegens überzeugen und er lässt sich dazu herab uns ausnahmsweise eine nicht Regel-konforme Verlängerung auszustellen.
Allerdings streikt dann sein Computer. Der Orden-behangene Beamte macht uns wenig Hoffnung dass wir noch am selben Tag die Verlängerung bekommen. Nur beten würde jetzt noch helfen, denn Allah ist ja bekanntlich groß! 
Anscheinend ist Allah auch ein IT-Spezialist mit einem großen Herz für deutsche Touristen: 2 Minuten vor Dienstschluss spuckt der Computer tatsächlich noch unsere Visa-Extension aus und wir haben einen nervigen Behördengang weniger auf unserer Liste.  



Am nächsten Morgen verlassen wir Esfahan und machen uns auf die Suche nach einem kühlen Berg-Refugium. Eigentlich wollen wir zu einem kleinen Bergsee fahren und dort Campen, aber zwei Kilometer vor dem Ziel wird uns an einem Checkpoint die Durchfahrt verweigert. 
Die Begründung lautet es sei zu gefährlich alleine zum See zu Wandern, man brauche auf jeden Fall einen Guide um nicht verloren zu gehen. Außerdem wimmelt es in der Gegend von Wölfen und sonstigen Ungeheuren. Diese haben es aber scheinbar nur auf Touristen abgesehen, denn während wir mit den Uniformierten am Checkpoint diskutieren fahren dutzende Iranischer Wochenend-Camper ohne Probleme an der Schranke vorbei. 



Enttäuscht und auch ein bisschen wütend über diese offensichtliche Sonderbehandlung stellen wir Knut zweihundert Meter bergabwärts neben der Straße ab und machen uns ein schönes kaltes Bier auf…. zumindest träumen wir davon. Tatsächlich trinken wir nur eine Cola… wir sind ja immer noch im Iran. 

Es ist der Tag des WM-Viertel-Finale: Deutschland gegen Frankreich. Das wollen wir natürlich nicht gänzlich verpassen. Ohne Handy-Netz und Internet behelfen wir uns damit das Spiel im Radio zu verfolgen - auf Farsi versteht sich. Anhand der Namen unserer Spieler können wir zumindest ausmachen wann Deutschland im Ballbesitz ist und das frühe Tor durch Hummels wird so lautstark vom Kommentator bejubelt dass wir auch das verstehen. 
Wir haben uns schon mit dieser seltsam skurrilen Fussball-Übertragung angefreundet als ein herzensguter Bauer des Weges kommt, unsere missliche Lage erkennt und uns zu sich nach Hause abkommandiert. Dort sehen wir die zweite Hälfte des Spiels und werden obendrein auch noch bekocht. Die Einladung zum Übernachten können wir dieses mal dankend ablehnen - wir lernen ja auch dazu. 



Der siegreiche Fussballabend hat uns vorerst wieder versöhnlich gestimmt - bis wir am nächsten Morgen eine viel größere Enttäuschung erleben. 
Erst suche ich vergeblich nach meinen Flip-Flops, dann bemerke ich das Fehlen unserer Taschenlampe und als Danny eine Schraube festziehen will ist unser Werkzeugkoffer verschwunden; da wird uns klar dass es schon wieder passiert ist - jemand hatte uns bestohlen! 
Das war schon der dritte Diebstahl innerhalb von 4 Monaten. Beim ersten mal wurde in der Halle eingebrochen in der wir unseren Bus ausgebaut haben. Damals wurde unser komplettes Werkzeug gestohlen. Beim zweiten mal stieg jemand nachts in den Bus ein - während wir darin schliefen! Dabei nahm der Dieb Danny’s Handy mit. Die beiden ersten Male wurden wir in Deutschland bestohlen und nun einmal im Iran. (Macht den Iran statistisch gesehen also immer noch zum sichereren Land). 

Wir hegen den Verdacht dass wir am Tag zuvor bei einem längeren Tankstellen Aufenthalt beklaut wurden. Auf der nächsten Polizeistation versuchen wir den Beamten die Lage zu erklären. Wir wollen mit einem Beamten zur besagten Tankstelle fahren. Es gibt dort bestimmt Überwachungskameras und vielleicht ist auf dem Video ja etwas Verdächtiges zu sehen. 
Ein Polizist setzt sich tatsächlich zu uns in’s Auto und wir wollen so schnell wie möglich zum vermeintlichen Tatort fahren um den Fall aufzuklären. Er aber dirigiert uns kreuz- und quer durch die Stadt, winkt seinen Bekannten auf der Staße zu, lässt uns am Laden seines Bruders anhalten (vielleicht sind wir durstig und wollen etwas Wasser kaufen?) und zum Finale seiner „Touri-Show-Off-Runde“ bringt er uns zu seinem Haus damit wir unsere erhitzten Gemüter mit kaltem Saft und einem Nickerchen abkühlen. 
Sein Vorschlag erzeugt bei uns eher das Gegenteil: uns platzt der Kragen! Wir lassen den verdutzen Bullen in seinem Wohnzimmer stehen und fahren alleine zur Tankstelle. 
Dort hilft uns dann der Zufall, denn gerade als wir ankommen fährt ein Streifenwagen zum Tanken vor. Wir erklären erneut unseren Verdacht und dieses mal kommt tatsächlich Schwung in die Sache. Noch mehr Polizisten werden gerufen, das Überwachungsvideo wird überprüft, es wird hitzig diskutiert und viel gelabert… 
Am Ende kommt  leider nichts dabei heraus. Auf dem Video ist nichts Verdächtiges zu sehen, die Beamten haben auch keine Idee wie man in dem Fall weiter vorgehen soll. Die Sache ist für sie erledigt und wir müssen uns damit abfinden unsere Sachen nicht mehr wieder zu bekommen. Die Angestellten der Tankstelle die den ganzen Nachmittag mit auf die Polizeistation mussten sind vom Verdacht befreit und dürfen zurück an ihre Arbeit. 

Es tut uns Leid dass wir sie des Diebstahls bezichtigt haben und machen uns kleinlaut vom Acker - doch bei der Abfahrt aber schenken sie uns zum Trost Unmengen Süßkram und entschuldigen sich bei uns für die negative Erfahrung die wir in ihrem Land machen mussten; sie sind kein bisschen sauer auf uns!
Später in Teheran ersetze ich meine ebenfalls gestohlene Sonnenbrille. Als der Verkäufer hört dass mich jemand beklaut hat, will er erst gar kein Geld für die neue Brille haben. Er ist zutiefst erzürnt und entschuldigt sich vielmals im Namen all seiner Landsleute bei mir für diesen ungeheuren Vorfall. Letztendlich konnte ich ihn überzeugen wenigstens die Hälfte vom Preis zahlen zu dürfen. 
Wie kann man da noch böse sein??? All die Liebe und Freundlichkeit die uns entgegen gebracht wird wiegt die eine negative Erfahrung hundertfach auf! Iran, we still love you! 

Mit der Polizei haben wir hier allerdings sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. In Tehran wurden wir zwei mal von der Militärpolizei kontrolliert die uns der Spionage verdächtigte (klar, Spione fahren Aston Martin oder eben Knut). Das waren jedes mal eher unangenehme Begegnungen. 

https://www.dropbox.com/s/6qia2c1ayjzsno5/Fahrt%20im%20Knut%20Polizei.mp4?dl=1

Dann wiederum nehmen wir einen liebenswürdigen Polizisten nach Dienstschluss als Anhalter mit und werden von seinen Kollegen noch bis ins nächste Dorf eskortiert. Die Krönung kam dann am Ende unseres Aufenthalts als wir von einem Polizisten während einer Kontrolle zum Mittagessen eingeladen werden. Es überwiegen also auch hier die positiven Erfahrungen. 


Zurück in Tehran zum Visa-Horror Teil 2: Wir machen uns so früh wie möglich auf um das Usbekistan Visum abzuholen. Leider hatten wir übersehen dass man ausschließlich mit druckfrischen Dollar-Noten bezahlen kann. Die Wechselstuben öffnen aber erst um 10:00. Das bringt den Plan mal wieder gehörig durcheinander, wollen wir doch im Anschluss gleich noch zur turkmenischen Botschaft, die aber nur bis 11:00 geöffnet hat. 
Glücklicherweise läuft man im Iran nicht lange plan- und hilflos durch die Straßen bis jemand kommt und sich um einen kümmert. Dieses mal kommt unsere Rettung in Gestalt eines Englisch-Lehrer auf dem Motorrad  Er packt Danny hinter sich auf’s Moped und zusammen klappern sie 3 Wechselstuben und 2 Schwarzmärkte ab. Mit Erfolg! Danny bekommt knitterfreie Dollar und wir endlich das ersehnte Visum in der Tasche. 
Nun müssen wir also nur noch zur turkmenischen Botschaft, den Antrag abgeben und freuen uns darauf Tehran für alle Zeit den Rücken zu kehren… leider wieder zu früh gefreut! 

Der liebenswürdige Lehrer fährt Danny zur turkmenischen Botschaft, nur um festzustellen dass die Herrschaften für eine Woche Urlaub machen. Als wir Tags zuvor anriefen um die Öffnungszeiten zu erfragen war keine Rede davon. Satz mit x, mal wieder nix - wieder müssen wir eine unfreiwillige Warte-Woche einlegen. 
Um unsere Laune zu heben und sich im Namen aller Iraner für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen kauft der Englisch-Lehrer für uns eine riesige Portion Pistazien, Walnüsse und Datteln, die wir mit anderen verzweifelten Europäern vor der Botschaft verspeisen. Wieder einmal sind wir mit der Situation mehr als nur versöhnt. 

Abends steht wieder Fussball auf dem Programm. Dieses mal werden wir Zeuge des Brasilien-Massakers. Egal wo wir am Tag nach dem fulminanten 7:1 auftauchen wird uns zum baldigen Weltmeistertitel gratuliert.



Am Fusse des 5610m hohen Damavand campieren wir drei gemütliche Tage an einem Fluss. Abends ist es hier sogar so kühl dass ich mir eine Mütze anziehe - welch heimisch-flauschiges Gefühl. 




Auch hier bleiben wir nicht lange allein. Schon bald nähert sich eine Familie mit samt Esel im Schlepptau und schaut sich an was diese seltsamen Europäer mit dem noch seltsameren Gefährt hier machen. 





Das ist das erste mal dass uns die Neugier der Leute (und der Tiere) ein bisschen zu viel wird. Wir sind froh dass Mina und Hadi am nächsten Tag zu uns stoßen, denn kaum sind die beiden da traut sich keiner mehr uns zu begaffen. 



Zurück in Tehran läuft die Beantragung des turkmenischen Visa dann völlig problemlos ab, genau wie das Endspiel der Deutschen Fussball-Elf. Das Finale erleben wir zusammen mit unseren lieben Freunden und zur Feier des Tages besorgt Hadi uns sogar 2 Bier! Nach 5 Wochen absoluter Abstinenz machen die zwei Dosen Tuborg den Abend schon zu etwas ganz besonderem - die Dreingabe kommt dann bekanntlich durch Mario Götze :-) 



Wir sind jetzt also alle Weltmeister - die Iranis auch ein bisschen, so sehr lieben sie unsere Fussballmannschaft. Seit dem wir den vierten Stern haben wird uns ständig gratuliert und zugejubelt - fast so als hätten wir irgendetwas dazu beigetragen. Wir fühlen uns auf alle Fälle geehrt und auch ein kleines bisschen heldenhaft.



Nach insgesamt 8 Tagen in Tehran war es nun endgültig an der Zeit uns von Mina und Hadi zu verabschieden. Knut durfte die Smogwolke endlich hinter sich lassen und wieder frische unverbrauchte Bergluft schnuppern. 




Dieses mal geht es Richtung Kaspisches Meer, wobei wir nicht die schnellste, sondern die  schönste Route wählen. Nördlich von Tehran führt eine wunderschöne Passstraße durch das Alborz-Gebirge, in dem man im Winter sogar Skifahren kann. Auf 4200m machen wir Mittagspause und genießen die beste Suppe die wir im Iran bekommen haben. Die Nacht verbringen wir zwar nicht über, aber immerhin IN den Wolken. 



Am nächsten Tag quälen wir den armen Knut die bis dato schlimmste Piste zu einem Bergsee hinunter. Die schmale, völlig ausgewaschene Straße schlängelt sich sehr, sehr steil den Hang hinab und nicht nur einmal bleibt mir das Herz kurz stehen weil uns nur noch Zentimeter vom Abhang trennen. Glücklicherweise stellt sich später heraus dass es noch eine zweite asphaltierte Straße gibt die uns wieder zurück in die Zivilisation bringt, andernfalls würden wir vielleicht immer noch dort unten stehen. 



Der See ist an sich nichts besonderes, da sind wir vielleicht zu verwöhnt von unseren Bayerischen Bergsee-Idyllen. Noch dazu darf ich nicht mal Baden gehen - außer in einem extra abgetrennten Bereich für Frauen und auch nur in einem Burkini. 



Das Highlight des Aufenthalts ist mal wieder menschlicher Natur: ein passionierter Angler entdeckt uns am Ufer und lädt uns ganz überraschenderweise in sein Haus ein. Wir lehnen dankend ab, wollen wir doch einfach mal einen Abend zu zweit verbringen. Damit gibt sich der Fischer aber nicht zufrieden. Er kommt noch einmal zurück und bringt uns 8 Flaschen Wasser, Grillkohle, Ayran, 4kg Weintrauben, Schokomilch, 5 Päckchen Frischkäse, Brot und Butter an’s Auto. Das sehr verlockende Angebot einer Dusche und einem Pool-Tisch können wir dann doch nicht gänzlich ausschlagen und versprechen am nächsten Tag vorbei zu kommen. 


Zwei Tage und Nächte verbringen bei „Onkel Adi“, so taufen wir ihn da wir uns seinen Namen beim besten Willen nicht merken können. Danny hofft unter professioneller Anleitung endlich auch mal einen Fisch zu fangen und lässt sich von Adi in die Angelkunst einweisen. 



Tatsächlich fängt er auch endlich etwas... 


Aber Schildkröten Suppe steht nun wirklich nicht auf unserem Speiseplan. Wir befreien das arme Panzertier vom Haken und werfen es zurück in's Wasser zu seinen zwei Babys die hilflos im Kreis schwimmen. 
Gut dass wir nicht auf Danny's Angel-Erfolge angewiesen sind, denn zwei von Adi's Freunden aus Tehran sind gerade zu Besuch und wir profitieren alle von Hassan's Kochkünsten. Jeden Abend tischt er uns köstlichste Spezialitäten auf. 


Bevor wir uns auf die letzte Iran-Etappe machen schenkt uns Onkel Adi noch 60 Liter Diesel und einen Ersatzkanister für Usbekistan. 



Auf dem weiten Weg nach Mashhad im Osten schlafen wir eine Nacht im Urwald Küste und hören die ganze Nacht die Affen schreien. 
Im Golestan Nationalpark campieren wir noch eine Nacht an einem Fluss mitten im Wald und verbringen einen lustigen Abend mit ein paar Jungs die uns auf Kebab und Melone einladen. 



Als wir nach zwei Tagen Fahrt endlich in Mashhad ankommen, quartieren wir uns in Vali’s Homestay ein. Bei stickigen 45°C sind wir froh nicht im Auto schlafen zu müssen und genießen unser Bett unter freiem Himmel. 



Mashhad ist die heiligste Stadt des Iran und jährlich pilgern Millionen Muslime zu einem gigantischen Schrein im Stadtzentrum. Wir sind allerdings zu faul, zu ungläubig und zu aufgeheizt um uns das anzuschauen. Stattdessen verbringen wir den ganzen Tag mit ein paar anderen Reisenden auf Vali’s Terasse. Die meisten von ihnen sind mit dem Fahrrad aus Europa gekommen und befinden sich wie wir auf dem Weg nach Zentralasien. Wer denkt wir sind verrückt eine solch lange Reise mit dem Auto zu machen, der sollte sich mal überlegen was es bedeutet im Juli durch die Wüste zu radeln! 


Bevor wir das Land verlassen bekommt Knut noch eine besonders gründliche Autowäsche verpasst, wir haben gehört dass die Turkmenen nur saubere Autos in ihr Land lassen und man für zuviel Staub an der Karosserie unter Umständen eine saftige Strafe zahlen muss.


Am 23. Juli verlassen wir nach knapp 6 Wochen den Iran in Richtung Turkmenistan. 40 Tage unbeschreiblicher Gastfreundschaft liegen hinter uns. Man kann nur schwer beschreiben wie freundlich die Menschen hier sind. Alle Einladungen, Hilfsangebote und Gespräche finden ohne den geringsten Hintergedanken statt. Die Menschen erwarten keine Gegenleistung von uns, sie möchten uns lediglich eine gute Zeit in ihrem Land bescheren. 



Selbst den coolen Sticker auf Knuts Stirn bekommen wir kurz vor der Ausreise noch geschenkt und als Dankeschön und Erinnerung an all die netten Menschen kleben wir noch einen zweiten Aufkleber auf die Rückscheibe:



 „my love Iran“ (zumindest hoffen wir das dies wirklich die Übersetzung ist ;-) Wir werden die Herzlichkeit der Menschen hier wirklich sehr vermissen!


Kleines statistisches Zwischenfazit nach 114 Tagen:

  • besuchte Länder: 6
  • gefahrene Kilometer: 10.740km
  • Werkstattbesuche: 7 (Bremsen erneuert, Fenster verdunkeln, Spur einstellen, Federgummis erneuern, Pfusch aus vorheriger Werkstatt reparieren lassen (2x), Scheibenspritzanlage repariert) 
  • Pannen: 0
  • Unfälle: 0
  • Polizeikontrollen: 7 (1 mal in der Türkei, 6 mal im Iran)
  • kriminelle Zwischenfälle: 1