30. Juni 2014

Iran / Tag 69-83: welcome to Hollywood

 

„Ihr wollt in den Iran fahren?? Seid ihr noch bei Verstand? Das ist doch wahnsinnig gefährlich, dort werdet ihr bestimmt entführt oder Opfer eines terroristischen Anschlags! Außerdem bauen die an einer Atombombe und wer weiß wann die hoch geht…“
So ähnlich reagierte manch einer als er von unseren Reiseplänen erfuhr. Das ist das Bild das sich in unseren westlichen Köpfen vom Iran festgesetzt hat, geprägt von den Medien in denen immer nur über verrückte Präsidenten, islamistische Fundamentalisten und Hinrichtungen berichtet wird.


                              
Was wir im alten Persien bis jetzt erlebt haben hat nichts, wirklich überhaupt nichts mit diesen Vorurteilen zu tun. Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen dass es irgendwo auf der Welt nettere, offenere und hilfsbereitere Menschen gibt. Es ist überwältigend wie sehr sich die Iranis freuen ausländische Touristen zu sehen. Wenn wir durch Dörfer und Städte fahren winken die Leute uns zu, hupen, fahren neben uns her und rufen „Welcome to Iran, thank you for coming! We are happy you are here! Enjoy your trip“.





Wenn ihr euch einmal im Leben fühlen wollt wie ein Filmstar, reist in den Iran. Schon beim Grenzübertritt werdet ihr überschwänglich begrüßt, einzig der rote Teppich fehlt. Egal wo ihr aus dem Auto steigt, es dauert keine zwei Minuten bis jemand ein Foto mit Euch machen möchte. Nach weiteren 2 Minuten habt ihr e-mail Adressen und facebook-Kontakte ausgetauscht, meistens folgt obendrauf noch eine Einladung zum Essen. 



Das klingt vielleicht ein bisschen anstrengend, aber die Menschen hier sind kein bisschen aufdringlich, sondern in ihrer herzlichen Art sehr zurückhaltend. Das entscheidet sie im Wesentlichen von den Türken, bei denen man eine Einladung nicht ablehnen kann, ohne Gefahr zu laufen ihre Ehre zu verletzen. Außerdem sprechen viele Iranis gutes Englisch, was die Kommunikation ungemein erleichtert und uns einen „echten“ Austausch mit den Leuten ermöglicht.



Nach dem ersten Smalltalk über Herkunft, Familienstatus und Reisedetails werden die Gespräche oft ernster. Viele kritisieren das bestehende System offen - wenn auch mit gesenkter Stimme. Die Unterdrückung durch den Islam-Staat ist überall sichtbar - sei es die strenge Kleiderordnung, das strikte Alkohol- und Tanzverbot oder die zahlreichen Einschränkungen für Frauen.
Aber die meisten Einheimische loten die Grenzen des Erlaubten aus wo es nur geht, indem sie selbstgebrannten Whiskey trinken, Bier auf dem Schwarzmarkt besorgen, die Musik in ihren Autos bis zum Anschlag aufdrehen und das Kopftuch so weit nach hinten schieben dass es gerade nicht hinunterrutscht.


Nach dem WM-Spiel der Iranischen Fussballmannschaft trafen sich die Leute auf der Straße, feierten zu lauter Musik und Freudenfeuern. Dabei hatten sie nicht einmal gewonnen, aber auf das 0:1 gegen Argentinien sind die Fans trotzdem stolz und feiern ihre Mannschaft als wären sie Weltmeister geworden.
Fussball ist allgemein ein großes Thema hier und ratet mal welche Mannschaft hier am beliebtesten ist - genau, die Deutsche Nationalelf! Wir haben Männer getroffen die alle Spieler der Mannschaft von 1990 aufzählen konnten und fest davon überzeugt sind dass unsere Jungs es dieses Jahr endlich schaffen Weltmeister zu werden - „Inshallah“.



Die Einreise aus der Türkei verlief relativ problemlos. Dank Hossein’s Hilfe mussten wir keine der berüchtigten Dieselkarten kaufen. Allerdings bestand der strenge Beamte darauf unser Auto mit einer Diesel-Steuer belegen zu müssen. Anfangs wollte er 320€ von uns, was wir strikt ablehnten und ihm klar machten dass wir vor seinem Grenzposten kampieren wenn es sein muss. Nach hitzigen Diskussionen auf Farsi konnte Hossein ihn auf 95€ runter handeln - die Bazar-Mentalität beginnt hier also schon an der Grenze. Immer noch viel Geld, aber wenn man bedenkt dass der Liter Diesel hier 8 Cent kostet hat man die Steuer mit einer Tankladung quasi wieder ausgeglichen.




Die ersten zwei Nächte im Iran verbrachten wir in Urmia, in Hossein’s „Guesthouse“.

Die ewig grimmige Mama bereitet morgens das Frühstück zu und der immer lächelnde Papa träumt von einer Karriere als Polizist in Deutschland. Er ist ganz verliebt in unser schönes Vaterland und schaut leidenschaftlich gern deutsches Fernsehen über Satellit. (Stalliten-Fernsehen ist hier offiziell auch verboten, trotzdem stehen  die weißen Schüsseln auf jedem Hausdach).
Er stellte uns viele Fragen zum Leben in Deutschland: „Is it allowed to dance in Germany? Can you dance with a woman? With every woman or only with your wife? Are all the people who go to nightclubs bad?“ Fragen in dieser Art wurden uns mittlerweile häufiger gestellt und die niedergeschlagenen Gesichter die auf unsere Antworten folgen stimmen uns sehr nachdenklich. Während wir uns die Freiheit nehmen ein ganzes Jahr scheinbar Sinn- und Zweck befreit die Welt zu bereisen, können andere sich nicht einmal vorstellen wie es ist frei tanzen zu dürfen… 



Gleich am ersten Tag durften wir mit auf die Hochzeit von Hossein’s Cousine. Die Hochzeitsgesellschaft wurde strikt nach Geschlechtern aufgeteilt. Ich musste mit der missmutigen Mama im Frauen-Partyraum Platz nehmen, während Danny mit den männlichen Mitgliedern der Familie den anderen Eingang ansteuerte. Ich staunte nicht schlecht als die Frauen ihr „Hejab" (= Kopftücher und Mäntel) ablegten: ihre Röcke waren nicht viel mehr als breite Gürtel, überall funkelte es und die Highheels auf denen die Damen balancierten wären für mich die reinsten Knöchelbrecher. Ich fühlte mich ein klein wenig underdressed, in meinem Schlafanzugähnlichen Iran-Outfit und meinen dreckigen Turnschuhen. (Merke: ein Paar Pumps und das kleine Schwarze gehören in jedes Frauen-Gepäck!)


Die Ladys tanzten hingebungsvoll zur ohrenbetäubend lauten Volksmusik. Zum Trinken gab es einen Becher Tee und kleine Snacks wurden aus diversen Handtaschen gezaubert. Meine Gastmutter schob mir einen Keks rüber, als mich leichte Panik überkam. Ich hatte seit dem Frühstück nicht mehr gegessen und wünschte mir nichts sehnlicher als ein ausgiebiges Festmahl. Doch ich musste bis weit nach Mitternacht ausharren bevor Suppe und Huhn aufgetischt wurden. Anscheinend war ich nicht die einzig Hungrige: die Damen verschlangen die Köstlichkeiten in Rekord-Geschwindigkeit und füllten sich sogar noch eine zweite Portion in Plastiktüten, die in ihren Handtaschen verschwanden. Kaum waren die Teller leer, war das Fest zu Ende und die Partygäste begleiteten das Brautpaar in einem mörderisch fahrenden Autokonvoi nach Hause. Allerdings muss man sagen dass es im Straßenverkehr hier allgemein recht anarchisch zugeht!

Hier noch ein kleiner Einblick in den Männer-Party-Raum, so ging es zu als die Geschenke hereingetragen wurden:

https://www.dropbox.com/s/o70o29o5umrps0x/Hochzeit%20Iran.mp4?dl=1


Eigentlich wollten wir tags darauf weiter fahren, doch dieses mal durchkreuzten 3 Motorrad-Reisende unsere Pläne, die zufällig alle am selben Tag bei Hossein eincheckten: Xerxes, ein gebürtiger Iraner, war auf dem Rückweg in seine Wahlheimat England. Dimitris aus Griechenland machte ein paar Wochen Urlaub im Iran und Antonio aus Belgien ist mit seinem Motorrad auf dem Weg nach Japan. Wir saßen zusammen im kühlen Innenhof, tauschten Reise-Anekdoten und e-mail-Adressen aus. Abends gingen wir alle zusammen Essen und diskutierten bei einer Shisha über Klimaerwärmung und Verschwörungstheorien.


Zusammen mit Antonio machten wir uns am nächsten Morgen auf zum großem Urmia-See. Ein riesiger, fast ausgetrockneter Salz-See der einen seltsam schönen Anblick bietet. Die Straße um den See herum ist die reinste Buckelpiste, aber für unsere Off-Road-Sau Knut kein Problem.




Da wir ungefähr die gleiche Route hatten wie Antonio beschlossen wir die nächsten Tage zu Dritt zu verbringen. Wenn uns jemand fragte in welcher Beziehung wir zueinander stehen erzählten wir der Einfachheit halber Antonio sei mein Bruder. Eine reisende Familien, das leuchtet den Leuten sofort ein, wohingegen die Konstellation Ehepaar plus fremder Mann irgendwie unmoralisch erscheint.


Kurz vor Kardovan, einem kleinen Dorf das man getrost als Mini-Kappadokien bezeichnen kann, kampierten wir mit unserem lieb gewonnenen neuen Familienmitglied am Fluss, grillten Hühnerschenkel überm Lagerfeuer und sehnten uns nach einem kühlen Bier.


Bei unserer Fahrt am nächsten Tag machten wir gleich mehrere lehrreiche Erfahrungen: Während man in Deutschland und auch in der Türkei für eine Strecke von 250km gemütliche 3 Stunden braucht, sollte man dafür im Iran mindestens einen Tag einplanen. Der Verkehr in und um die Städte ist grauenvoll. „Nur-mal-kurz-Pause-machen“ gibt es nicht, denn für ein bisschen Smalltalk und Fotosession muss immer Zeit sein. Außerdem sollte man die angegebene Straßen-Kategorie auf der Landkarte zumindest kritisch hinterfragen.
Dafür ist der Ausblick den man vor allem auf den Bergpässen hat einmalig schön!



Dreckig, schwitzend und erschöpft schlugen wir unser Nachtlager in einer Flussebene nahe Khal-Khal auf. Umringt von Feldern, Wiesen und Lehm-Ruinen.



Nach einer wohlverdienten Kofferraum-Dusche machten sich die Jungs daran ein Feuer zu entfachen und ich kochte uns zur Abwechslung mal Thai-Curry. Alles war bereit für die Fortsetzung der Lagerfeuer-Romantik, doch kaum war die Sonne untergegangen verdunkelte sich der Himmel und Milliarden von Mücken gingen zum Angriff über. Binnen Sekunden waren die blutrünstigen Biester überall; uns blieb nichts anderes übrig als uns im Bus zu verschanzen und das lodernde Feuer durch die Scheibe zu bewundern.


Wieder einmal eine wichtige Lektion gelernt: Reisfelder bieten zwar eine wunderschöne Kulisse, aber vor allem sind sie Brutstätte für fiese, nimmersatte Blutsauger!

Den Großteil des nächsten Tages versuchten wir das lästige Internet-Problem zu lösen. Wir hatten bereits in Urmia SIM Karten für unsere Handys gekauft, aber aus irgendeinem Grund konnte keiner von uns online gehen, geschweige denn die zahlreichen Internet-Blockaden umschiffen mit der die Regierung versucht die Bevölkerung von Facebook und Co fern zu halten.
Wie wir mittlerweile wissen ist das Einrichten eines „freien“ Internets eine echte Mammutaufgabe, die nur von besonders cleveren Spezialisten gelöst werden kann. Leider fanden wir an diesem Tag in keinem der drei angesteuerten Handy-Läden einen solchen Genius und ärgerten uns ein bisschen über die vergeudete Zeit.



Die abendliche Stellplatzsuche gestaltete sich dann auch noch extrem schwierig: an keinem der zahlreichen Wegen die von der Straße hinab zum Fluss führten fanden wir eine geeignete Stelle für Bus und Zelt. Es dämmerte bereits und Knut hatte sich in den niedrig hängenden Ästen eines Baumes festgefahren. Antonio fuhr schon mal voraus um weiter nach einem Stellplatz zu suchen und wir verabredeten uns an der nächsten Weggabelung. Als wir Knut endlich befreit hatten und an der vereinbarten Stelle ankamen fanden wir zwar einen akzeptablen Platz, aber von unserem belgischen Freund fehlte jede Spur. Wir hatten sein komplettes Gepäck im Auto, konnten ihn nicht anrufen, waren müde, erschöpft und ziemlich ratlos.
Zwei Bauern aus dem nächsten Dorf bemerkten unsere missliche Lage und boten uns umgehend ihre Hilfe an, so wie das im Iran eben üblich ist. Mohammed und sein Freund schwangen sich auf’s Moped und pesten davon um nach meinem vermissten Bruder zu suchen. Eine halbe Stunde später tauchte Antonio glücklicherweise wieder auf; er hatte an einer anderen Abzweigung auf uns gewartet - nur fehlte jetzt vom Suchtrupp jede Spur.


Die zwei Jungs kamen erst spät in der Nacht zurück und uns plagte das schlechte Gewissen. Aber anstatt genervt oder gar böse auf uns zu sein, schenkten sie uns ein Glas hausgemachten Joghurt und luden uns für den nächsten Tag auf einen Tee ein.

                        



Es blieb allerdings nicht bei einem Gläschen Tee, denn nachmittags fand im Dorf eine Hochzeit statt die wir auf keinen Fall verpassen durften. Die zweite Hochzeits-Einladung für uns innerhalb von nur sechs Tagen!



Nachdem wir im Haus des Bauern ein köstliches Mittagessen serviert bekommen hatten, machten wir uns auf in den Gemeinde-Garten, in dem schon alles für die Hochzeitsfeier vorbereitet war. Diesmal ging es weitaus liberaler zu und beide Geschlechter feierten zusammen. Nur die Sitzordnung war streng getrennt und die Frauen behielten ihre Kopftücher an.
Zur stark verzerrte Musik des Alleinunterhalters mischten sich Männer und Frauen auf der Tanzfläche, allerdings nach strengen Regeln: es durften immer nur Familienmitglieder miteinander tanzen.
Das Brautpaar saß die ganze Zeit auf einem prächtigen Plüschsofa in der prallen Sonne und verfolgte das Geschehen mit versteinerter Miene.


Für uns europäische Beobachter erschien auch diese Hochzeit reichlich seltsam, aber die Dorfbewohner amüsierten sich offensichtlich prächtig. Vermählungen bieten ihnen eine der seltenen Gelegenheiten sich herauszuputzen und die einzige Möglichkeit mal so richtig die Sau raus zu lassen.


Um fünf Uhr nachmittags verabschiedeten wir uns von Mohammed und machten uns auf nach Masuleh, einem uralten, wunderschönen Dorf, mitten in den Bergen. Für die 35km lange Passstraße brauchten wir geschlagene 3 Stunden! Die Straße hat den Namen eigentlich nicht verdient und es ist ein Wunder dass sie auf unserer Landkarte überhaupt eingezeichnet ist. Die meisten Feldweg zuhause sind in besserem Zustand als diese Piste. Zu Fuß wären wir wahrscheinlich schneller gewesen, nur gut dass wir keinen Zeitdruck haben.


Antonio war mit seinem Motorrad natürlich schon weit vor uns in Masuleh und hatte einen kleinen Fanclub um sich versammelt als wir völlig durchgeschüttelt ankamen.
Er wollte sich für die Nacht ein Zimmer nehmen und wurde bei der Suche nach einer Pension von einem ehemaligen iranischen Bodybuilder-Champion unterstützt. Gut dass Antonio seine Isomatte und einen Schlafsack dabei hatte - die Unterkünfte hier sind für unsere Verhältnisse mehr als spärlich ausgestattet, eigentlich sind es einfach nur Zimmer die mit Teppichen ausgelegt sind, ohne auch nur ein einziges Möbelstück.


Wir genossen unseren letzten gemeinsamen Abend in der entspannten Atmosphäre des touristischen Bergdorfes, aßen wie jeden Tag Kebab mit Reis und blubberten eine schöne Verdauungs-Shisha.


Am nächsten Morgen mussten wir uns schweren Herzens von unserem lieb gewonnenen Freund und Bruder verabschieden. Er hat leider nur 4 Monate Zeit um von Belgien nach Japan zu kommen und sein straffer Zeitplan nicht mit unserem Schneckentempo kompatibel. 




Der folgende Tag in Masuleh wurde einer der unterhaltsamsten unserer bisherigen Reise. Nach dem Frühstück schlenderten wir durch die Gassen und lernten in einer kleinen Kunstgalerie Mina und Hadi aus Teheran kennen. Die beiden wollten mal wieder Fotos mit uns machen - und was für welche :-)



Diese Kostüm-Fotos werden hier überall angeboten, man darf sich eine Tracht aussuchen, wird professionell eingekleidet und vor historischer Kulisse positioniert. Wie man unschwer erkennen kann haben wir uns köstlichst amüsiert!



Nach der Fotosession luden Mina und Hadi uns in ihr Ferienhäuschen ein, wo wir Leib und Seele mit frischen Fürchten und einer kalten Dusche erfrischen durften. Das Obst hier schmeckt übrigens fantastisch! Vor allem Melonen und Kirschen wachsen hier an jeder Ecke, kosten fast nichts und sind die reinste Gaumenfreude.
Unsere neuen Teheraner Freunde luden uns später auch noch zum Mittagessen in ein kleines Restaurant ein und ich fand endlich heraus dass es außer Hühnchen-, Lamm- und Rinderspießen auch vegetarische Gerichte gibt, man muss nur wissen wie man sie bestellt.


Nach dem Essen trennten sich unsere Wege wieder, die beiden mussten zurück nach Teheran und wir wollten den Nachmittag ganz entspannt auf der Terrasse eines Cafes verbringen. Wir rauchten eine Wasserpfeife, stöberten ein wenig im Reiseführer und genossen die entspannte Atmosphäre.



Doch plötzlich störte aufgeregtes Geschnatter unsere meditative Stimmung; etwas großes, lautes, ungewöhnliches war im Anmarsch; etwas das wir noch nie erlebt hatten. Ich blickte von meinem Buch auf und konnte kaum begreifen was als als nächstes geschah:



Eine 60-köpfige Aerobic-Gruppe aus der Stadt stürmte auf uns zu. Die Damen waren bester Laune und fanden es offenbar unheimlich aufregend zwei Blau-Augen aus dem fernen Europa zu sehen. Sie scharten sich johlend und kreischend um uns, zückten ihre Handys und filmten uns sogar. Jede einzelne der Fitness-Damen wollte ein Foto mit uns machen. Bald schmerzten uns die Kiefer vom ewigen Dauergrinsen. Wir genossen den Rummel um unsere Person und fühlten uns wie große Stars, waren aber auch erleichtert als die Managerin endlich zum Rückzug pfiff.


Kaum hatten wir wir uns von dem Überfall erholt und uns wieder unserer jeweiligen Beschäftigung zugewandt, kam auch schon der nächste Fan an unseren Tisch. Dieses mal allerdings ein sehr entspannter Zeitgenosse. Der pensionierte Lehrer aus Shiraz interessierte sich für unsere Reise, unsere Meinung zum Iran und genoss es einfach mit uns zu plaudern. Er war mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar übers Wochenende in Masuleh und bestand darauf uns irgendwie behilflich sein zu wollen. Wir erlebten ein deja-vu als er uns zum Duschen und Abendessen in seine Ferienwohnung einlud. Bevor wir reagieren konnten bezahlte er auch noch unseren Tee und die Wasserpfeife.


So haben wir innerhalb von 10 Stunden 2 mal geduscht, wurden 2 mal zum Essen eingeladen, 150 mal fotografiert, durften nicht mal unsere Rechnung im Cafe bezahlen und haben neue Freunde in Teheran und Shiraz.
Wer jetzt glaubt das wäre etwas ganz besonderes und purer Zufall der irrt gewaltig! Eigentlich läuft fast jeder Tag hier so ab: wir haben einen Plan, wollen irgendwo hin fahren, nur schnell einkaufen oder eine Kleinigkeit am Auto reparieren lassen. Doch sobald wir anhalten, aus dem Auto steigen oder einen Spaziergang machen treffen wir auf einen dieser wundervollen Iranis, die uns grüßen als wären wir lang vermisste Freunde.




So wie der Obstverkäufer in Fuma den wir nach einem Internet-Cafe fragten: er schaufelte erst mal einen Teller voll mit Obst, holte Tee für uns, hieß uns in seinem Obststand willkommen und lud uns zum Abendessen zu sich nach Hause ein.
Oder die nette Familie am Fluss an dem wir eine Nacht schliefen: der Sohn kam mit einer Schale Melone und der Einladung zum Essen an unseren Bus, kaum dass wir das Auto abgestellt hatten.
Besonders hilfsbereit und herzlich war die Familie des Werkstattinhabers in Quazvin. Nach einer kleinen Reparatur an Knut luden sie uns zum Mittagessen in ihrem Luxus-Apartment ein. Der Sohn war der Computer-Nerd den wir so lange gesucht hatten. Er schnappte sich das Handy und installierte allerlei verbotene Programme darauf. Seitdem sind wir wieder online und können sogar die lästigen Filter austricksen. Nach dem Mittagessen machte die ganze Familie inklusive uns einen ausgiebigen Mittagsschlaf bevor wir uns verabschiedeten um vor der Hitze in Quazvin zu fliehen.


Ja, die Hitze… wir wussten ja dass der Sommer im Iran heiß ist. Aber als das Thermometer tatsächlich auf 45°C kletterte hat es uns doch den Atem geraubt. In unserem dunkelgrauen Bus ohne Klimaanlage fühlen wir uns ein bisschen wie Kebabspieße auf dem Grill. Selbst der Fahrtwind hat nichts Erfrischendes mehr, es macht eher den Eindruck als hätte der liebe Gott seinen Föhn eingeschaltet um uns noch ein bisschen mehr zu quälen.

In den Städten bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig als in einem Hotel einzuchecken - ein Luxus den wir uns nicht oft leisten können. Wir versuchen unsere Route jetzt mit dem WM-Spielplan abzugleichen, dann können wir in den klimatisierten Hotel-Räumen wenigsten noch den Fernseher nutzen und mit unserer Fussball-Elf bangen.
In den höheren Lagen ist es glücklicherweise um einiges angenehmer, so dass wir jede Möglichkeit nutzen um in die Berge zu fliehen.


Gerade haben wir 3 Tage im Alamut-Valley auf gut 2000m Höhe verbracht. Die Berge sind ziemlich karg und wenig einladend, aber sobald sich ein Fluss den Weg durch die Schluchten bahnt erscheint die Umgebung in den sattesten Grüntönen. Am idyllischen Evan-Lake werden die süßesten Kirschen angebaut die wir jemals gegessen haben.
 


Das Alamut-Valley ist bekannt für seine mysteriöse Geschichte. In mächtigen Burgen haben sich vor  800 Jahren die berüchtigten Assasine vor ihren Feinden versteckt. Sie waren die Ritter des großen Hasan-e Sabbah und brachten in seinem Namen ungeliebte Staats- und Islammänner um die Ecke. Als Belohnung versprach er ihnen das Paradies, wo tausend willige Damen auf sie warten würden.
 



Auf dem Weg zu einem dieser Burgen wollten wir gerade aussteigen um ein Foto zu machen, als plötzlich ein bewaffneter Taliban-Kämpfer auftauchte. Ach du Scheiße, wir sind also doch wahnsinnig in den Mittleren Osten zu fahren! Mein Herz rutschte in die Hose und ich wollte nur noch weg, aber es war bereits zu spät: wir wurden umzingelt und entführt - an’s Set eines iranischen Kinofilms :-)


Der Film spielt in Afghanistan, eine Geschichte über die Entführung iranischer Diplomaten in den 90er Jahren. Der Mann mit der Plastik Kalashnikov war nur ein harmloser Komparse und die ausgebrannten Autofracks am Straßenrand bloß teil der Kulisse. Wir wurden herzlichst am Set empfangen und durften zuschauen wie die arme Schauspielerin gleich zehn mal ausgepeitscht und erschossen wurde bevor die Szene im Kasten war.


Für Danny war es natürlich besonders spannend den Ton-Meister kennen zu lernen. Onkel Hassan, wie er von allen Crew-Mitgliedern liebevoll genannt wird, ist ein ganz Großer im hiesigen Filmbusiness und einer der herzlichsten Menschen die wir bis jetzt kennenlernen durften. Er freute sich riesig einen Kollegen aus Deutschland zu treffen und die beiden tauschten sich über Equipment, Technik und Funkfrequenzen aus. Selbstverständlich wurden wir auch noch zum Mittagessen mit der Crew eingeladen und bekamen zum Abschied auch noch 2 Gläser Honig von Onkel Hassan und dem Regisseur geschenkt. Hier werden Set-Touristen anscheinend noch geliebt.


Die angesteuerte Burg war weniger spannend, nur ein paar übrig gebliebene Steinbrocken zeugen noch von der Epoche der Assasine und den Aufstieg über die rund 400 Stufen in sengender Hitze kann man sich getrost sparen.



Der große Canyon der am Fuß der Burg liegt war hingegen wieder ein echtes Highlight. Wunderschöne Felsformationen säumen den Fluss der dem Tal das Leben schenkt. Hier reihen sich etliche Obstgärten aneinander in denen Kirschen, Melonen und allerlei Beeren angebaut werden.





Hier durften wir einer Familie bei der Beeren-Ernte helfen: die kleinen weißen Früchte, deren Namen ich leider nicht weiß, wachsen an riesigen Bäumen und werden einfach abgeschüttelt. Der Vater kletterte in den Baum und rüttelte an den Ästen, während die Erntehelfer große Laken aufspannten in die die Beeren plumpsten. Als Dank für die Erntehilfe durften wir ein bisschen auf dem netten Familien-Esel reiten.




Aus den Beeren haben wir später Marmelade gekocht die wir jetzt zum Frühstück auf unser selbst gebackenes Brot schmieren können. Das ist nämlich eine neue Lieblingsbeschäftigung von Danny: Steinöfen bauen und darin leckeres deutsches Brot backen. Kulinarisch gesehen ist das nämlich das einzige was wir wirklich vermissen! Was hier zu kaufen gibt ist hauchdünnes Nan, aus Wasser und Mehl. Wenn man es nicht direkt aus dem Ofen isst wird es trocken und hart und schmeckt nicht viel besser als die Süddeutsche. Aber was Brot angeht sind die Deutschen ja bekanntermaßen etwas eigensinnig…



Nach den angenehm kühlen Tagen in den Bergen mussten wir wieder in den städtischen Backofen zurück. Wir brauchen noch das Visa für Usbekistan und Turkmenista, das wir in Teheran beantragen müssen. Allerdings haben wir großes Glück dass Mina und Hadi, unsere kostümierten Freunde, uns eingeladen haben bei ihnen zu übernachten. Wir freuen uns schon sehr darauf die beiden wieder zu sehen!

Außerdem sind wir gespannt was die größte und modernste Stadt des Iran so zu bieten hat; wir hoffen ganz stark auf ein geschmuggeltes, kaltes, erfrischendes Bier zu einem Fussballspiel!