6. Juni 2014

Türkei / Tag 45 bis 61 - smells like Orient

Mittlerweile sind wir in Ostanatolien angekommen und stehen auf einem kleinen Berg mit Aussicht auf den riesigen Van-See. Endlich regnet es mal wieder und ich komme dazu euch von unseren letzten Wochen in der Türkei zu berichten:

Tatsächlich sind wir ganze vier Tage in der Hippie-Kommune geblieben. Die meiste Zeit haben wir am Strand intensiv an unserem Urlaubs-Teint gearbeitet; nur unterbrochen von einem Ausflug zum Wasserfall. 


Es führen zwei Wege dorthin: ein Wanderweg und ein steiler Klettersteig entlang des Flusslaufs. Wir wurden im Dorf noch ermahnt auf jeden Fall den Wanderweg einzuschlagen, denn erst kürzlich brach sich ein Tourist das Bein, beim Versuch den Wasserfall zu erklettern. Als sich die zwei Wege gabeln entscheiden wir uns natürlich für ein Abenteuer. Eigentlich hätten wir nach der Erfahrung am Butterfly Valley wissen müssen dass türkische Kletterpassagen eher einer free-climbing challenge entsprechen. Aber irgendwie haben wir’s auch dieses mal geschafft unverletzt an’s Ziel zu kommen und wurden belohnt mit einer kühlen Badewanne die wir ganz für uns alleine hatten - no risk no fun! 


Zurück am Strand unterhielten wir uns ausgiebig mit den Jung-Hippies über dies und das und andere Themen. Die meisten von ihnen kommen aus Istanbul und sind irgendwie in Kabak hängen geblieben - einige von ihnen nicht nur auf physischer Ebene. 



Leider ist auch dieses Kleinod vom Pauschaltourismus bedroht. Neben den kleinen netten Bungalow-Anlagen mit schönen Namen wie Illumination, Reflection und Nirvana haben sich bereits zwei große Resorts breit gemacht. Sie bieten dem anspruchsvollen Publikum all-inclusive Yoga-Retreats und Aktiv-Urlaub-Pakete an. Das ist schon ein eigentümliches Schauspiel wie die langhaarigen Goa-Hippies barfuß und in Tüchern gekleidet neben den dänischen Pauschal-Yoga-Damen mittleren Alters am Strand liegen - beide in gewisser Weise auf der Suche nach Erleuchtung. 

Wir verließen das Hippie-Tal unverändert unerleuchtet  und fuhren an einen der schönsten Strände den wir jemals gesehen haben. Mit 18km Länge, feinstem Sand, hohen Wander-Dünen und ohne ein einziges Hotel, hat Patara alles was einen Traumstrand auszeichnet. Wegen der Schildkröten die nachts ihre Eier hier ablegen steht dieser Küstenabschnitt unter Naturschutz und zur Nebensaison teilt man sich den gesamten Strand mit höchstens 10 anderen Badegästen. 



Unser Stellplatz oberhalb der Dünen war einer der Geheimtips von Brigitta und Norbert. Tatsächlich erwarteten die beiden uns bereits und hatten das Picknick-Areal sogar schon vom lästigen Plastikmüll befreit :-) Zum Dank haben wir ihnen den Wein weggetrunken und uns ein bisschen durchfüttern lassen. 



In der Türkei muss man auf keinen Fall Angst haben zu verhungern - zumindest nicht wenn man strategisch günstig auf einem Picknick-Platz nächtigt. Es findet sich immer jemand der einem Brot, Humus, Köfte, gegrilltes Hühnchen, gefüllte Weinblätter und Tüten voller Gemüse an den Bus bringt. 
Verdursten kann man hier auch nicht, denn Chai bekommt man eigentlich ununterbrochen angeboten. Egal ob auf dem Picknickplatz, in der Reinigung, im Käseladen, im Hamam, in der Autowerkstatt, an der Tankstelle oder auf einem Otopark. 

Auf dem Weg von Patara nach Kappadokien machten wir Halt in Antalya. Wir wollten noch einmal in die Stadt, ein paar Besorgungen und einen drauf machen, bevor es in’s  anatolische Hinterland gehen sollte. 
In den Städten ist die beste und günstigste Möglichkeit auf einem Parkplatz = Otopark zu schlafen. Hier wird das Auto bewacht, man trifft meist nette Leute und bekommt zum Tee noch ein paar Tips für den Aufenthalt. Die besten Otoparks findet man natürlich in den Altstädten - bloß das Hinkommen kann mit einem Riesen wie Knut eine echte Herausforderung sein. 

So wie in Antalya, als wir um ein Haar die Balkon-Ruine eines einsturzgefährdeten Hauses mitgenommen haben. Diesmal saß Danny am Steuer und ich lief vor dem Auto her um ihn durch die engen Gassen zu winken. Leider habe ich mich um 1mm verschätzt als ich ihn unter dem besagten Balkon durchfahren ließ: der hintere Dachträger verkeilte sich mit einem herausstehenden Stahlgitter, der Beton fing an zu bröseln und wir fingen an zu schwitzen. Hinter uns stauten sich die Autos, es gab kein Entrinnen, wir mussten weiter fahren. Augen und Ohren zu, Knarzen und Bröckeln ignorieren und hoffen dass wir kein Loch in die Fassade oder unser Autodach reissen…
Völlig fertig mit den Nerven entspannen wir uns später auf dem Otopark bei einem Gläschen Chai und staunen über die Robustheit unseres Autodachs. Wieder einmal haben wir eine wichtige Lektion gelernt: wenn man sich nicht sicher ist ob das Auto an einer Engstelle durch passt, besser anhalten und nachmessen!


Wenn man Antalya hört denkt man sofort an riesige Bettenburgen, überteuerte Restaurants, Läden mit billigen Marken-Plagiaten und nervige Verkäufer die einem ständig „hallo, wie geht es, woher kommst du mein Freund“ hinterher plärren. Alles nur Vorurteile? Keineswegs, denn genauso haben wir die Stadt kennen gelernt. Das einzige Highlight der Altstadt war die mit bunten Regenschirmen geschmückte Gasse gegenüber unseres Parkplatzes.



Also machten wir uns am nächsten Morgen schleunigst wieder aus dem Staub, raus aus der Stadt, rein in’s Hinterland, immer weiter Richtung Kappadokien. 



Bei einem Zwischenstopp in Sultanhani besichtigen wir die größte Karawanserei der alten Seidenstraße und lernten auf dem Campingplatz ein Slowenisches Paar in Begleitung eines furchteinflößenden Hundes kennen. Die drei kamen gerade aus dem Iran und konnten uns ein paar nützliche Tips geben. Vor allem der Kontakt zu einem jungen Irani, der uns beim nervigen Grenzübertritt behilflich sein kann, ist Gold wert. 

Die Autofahrt von Antalya bis Göreme dauerte ewig und war größtenteils ziemlich öde. Wir fuhren Stundenlang durch endlose, staubige Ebenen, durch nichts sagende Städte, an hässlichen Industriegebieten vorbei, durch kleine triste Dörfer und hatten Mühe am Steuer nicht einzuschlafen. 
Und dann, ganz unerwartet nach einer Kurve, sind wir auf einmal mitten drin - in der Märchenwelt von Kappadokien. 





Wir haben das Gefühl in den Kulissen eines Star Wars Films gelandet zu sein; fast außerirdisch wirken die weißen Felsformationen die sich in den beeindruckenden Schluchten aneinander reihen. 




Jeden Morgen stehen wir mit der Sonne auf und genießen das Schauspiel der Heißluftballons die lautlos über das Tal schweben. Tagsüber wandern wir stundenlang durch die Canyons, erforschen die Zwergen-Höhlen und bestaunen die wunderschönen Fresken der Felsen-Kirchen. 



Wir suchen überall nach den Zwergen, Feen und Hobbits die hier leben müssen, finden leider keine, sind uns aber sicher dass sie sich nachts in den Wirtshaus-Höhlen treffen und aus steinernen Humpen selbstgebrannten Raki trinken.

Die nächste Etappe führte uns in die sagenhafte Landschaft des Aladaglar Nationalparks. Die Dolomiten der Türkei, ein unberührtes Wanderparadies (so unberührt dass man sich auf den Wanderwegen schon auch mal ein bisschen verlaufen kann). 



Nachts hört man die Wölfe heulen und morgens wird man geweckt von einer umherziehenden Schafherde. Der Stellplatz auf 1800m Höhe war mal wieder ein Tip unseres Bremer Reisebüros und auch dieses mal einfach traumhaft! 





Als wir auf dem Weg, im nächsten Ort unsere Vorräte auffüllen, macht Danny noch eine ganz authentische Tükei-Erfahrung: er lässt sich beim Berber mit dem Rasiermesser den Bart stutzen. Eigentlich wollte er sich einen waschechten Türken-Schnauzer stehen lassen, aber der Herr Berber war wohl der Meinung das würde ihm nicht stehen und verpasste ihm stattdessen eine Komplett-Rasur. 




Danach stattete ich mich noch mit den benötigten Iran-Utensilien aus: Kopftücher und lange Tunika die schön züchtig den Po bedecken und auch sonst nicht zuviel Haut frei lassen. Die Verkäuferin hatte einen Heiden-Spaß mir die Kopftücher zu binden und mein Outfit zu begutachten. 
Als sich Danny dann noch eine anatolische Herren-Hose kaufte (siehe Foto unten) waren wir endgültig die Stars des Ladens. 

Noch am selben Tag fuhren wir die gut 500km von Adana bis nach Sanliurfa, wo wir aufgrund der späten Ankunftszeit notgedrungen an der Tankstelle übernachten. Aber auch hier werden wir mit Chai versorgt und bestens unterhalten. 

Als wir am nächsten morgen in die Altstadt von Sanliurfa (oder einfach nur Urfa) marschieren, stellen wir fest dass wir im Orient angekommen sind. Wir sehen die ersten Frauen im Dschador und Männer in langen Hemden und Turban. 
Urfa ist die fünft-heiligste Stadt des Islam und täglich pilgern viele Gläubige hierher, um nach dem Gebet die heiligen Karpfen im Teich zu füttern. 





Gleich hinter der Moschee beginnt der riesige Bazar. Ein unüberschaubares Labyrinth aus überdachten Laden-Gassen, in denen man alles findet was man sich nur vorstellen kann. 
Selbstverständlich gibt es eine Teppich-Gasse, mehrere Stoff-Gassen, die Baumarkt-Gasse in der man vom Puppenbett bis zum Ochsengeschirr alles bekommt und natürlich zahlreiche Gewürz und Lebensmittel-Buden. Auch der Schuster, der Bäcker, der Schneider, der Berber, der Messerschleifer und der Schmied bieten hier ihre Dienste an. 






Anscheinend verirren sich ausländische Touristen nur selten hierher, was den Basar Ausflug umso schöner macht. Niemand ist aufdringlich und will uns was andrehen - ganz im Gegenteil: die Leute grüßen uns freundlich, bieten uns Chai an und der Besitzer der Glühbirnen-Bude lädt uns sogar zum Mittagessen ein. 


Als wir genug von der Stadt haben fahren wir weiter zum Nemrut National-Park. Auf dem Berg, der dem Park seinen Namen gibt, ließ ein größenwahnsinniger König einst ein Denkmal für sich errichten. Er thronte umringt von Götterstatuen sowohl auf der West- als auch auf der Ostseite des Berges, mit bestem Ausblick auf Sonnenauf- und Untergang. Mittlerweile haben alle Statuen ihren Kopf verloren, eine Folge der vielen Erdbeben - oder vielleicht Rache der Götter? 



Wir wollten unbedingt zum Sonnenaufgang auf den Berg, den Ausblick alleine genießen, bevor die Massen an Touristen hier angekarrt werden. Also quälten wir Knut den Berg hoch und verbrachten eine extrem stürmische Nacht auf 2300m. 


 


Auch in der Früh fegt uns der Wind um die Ohren und wir haben alle Mühe den Gipfel zu erklimmen; wo wir dann doch nicht ganz alleine sind. Eine deutsche Filmcrew ist noch früher aufgestanden um den Sonnenaufgang einzufangen. Die Stimmung im Team ist bescheiden und Danny freut sich dass er dieses Theater erst mal nicht mehr mitspielen muss.



Auf dem Weg zurück in’s Tal taucht aus dem Wald plötzlich ein spanischer Erasmus Student auf, den wir spontan auf ein Frühstück einladen. 


Dann geht’s weiter, zum letzen Stop in der Türkei: zum Van-Gölü. 
Ein riesiger See im Osten des Landes, 7 mal so groß wie der Bodensee, umringt von hohen Bergen und Heimat des sagenumwobenen Van-Canavari - ein Saurierartiges Seeungeheuer nachdem wir Ausschau halten werden. 





Hier stehen wir nun, auf einem kleinen Berg, mit Ausblick über den See. 
Gestern trafen wir eine Gruppe Männer die dem Berg mit Spitzhacke und Spaten zu Leibe rückten. Es hat eine Weile gedauert bis wir kapiert haben was die hier machen: sie suchen nach Schätzen! Anscheinend finden sie hier alte Münzen und versteinerte Tiere die sie an 
Museen verkaufen. 



Zurück am Auto zündeten wir ein Feuer an und konnten endlich auch mal jemanden zum Chai einladen. Einer der Goldgräber blieb mit uns am Lagerfeuer sitzen und rief noch seinen Bruder an, er solle uns doch bitte Käse und Brot auf den Berg bringen. Der Bruder brachte außerdem noch seine Saz mit - eine Laute mit drei Saiten - und spielte uns kurdische Volkslieder vor. 


Wir können die Datei selbst nicht abspielen und sind uns nicht sicher, ob es an der türkischen Internet- Zensur liegt, oder einem Fehler bei dem Audio Player vorliegt (wir wären froh, wenn wir diesbezüglich eine Rückmeldung von Euch bekommen würden). Deshalb hier noch der Dropbox-Link:
https://www.dropbox.com/s/eujedyeo3na4ppq/Musik_Lagerfeuer.mp3

In ein paar Tagen verlassen wir die Türkei wieder und machen uns auf den Weg nach Persien. 
Zeit für ein Fazit: die Türkei bekommt von uns eine glatte 1! Wir haben hier unglaubliches gesehen und erlebt: Sonnenbaden an traumhaften Stränden im Süden, Goa-Partys mit den jungen Wilden, Wandern durch die außerirdisch schöne Märchenlandschaft Kappadokiens, Autofahrten durch beeindruckende Canyons und endlose Ebenen, kurdische Gesänge am Lagerfeuer, orientalische Basare und vor allem überwältigende Gastfreundschaft von Westen bis Osten. 






Dieses Land steckt voller Überraschungen und ist zum Reisen mit dem Bus einfach perfekt! Das war bestimmt nicht unser letzter Besuch. 



2 Kommentare:

  1. Liebe Laura, lieber Danny,
    Eure Reiseberichte und die Fotos sind fantastisch. Ich kann es immer kaum erwarten, bis ein neuer Bericht folgt. Die Musik des Künstlers mit der Saz habe ich über den Dropbox-Link gehört, anders hat's nicht funktioniert.
    Ist übrigens wirklich super, wenn man zum Lesen und Gucken auch noch was zu Hören kriegt! Vielen Dank, dass Ihr uns so an Eurer Reise teilnehmen lasst!
    Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht.
    Euch und Knut alles Gute, Mira.

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  2. Liebe Mira,
    Wir freuen uns immer sehr, wenn wir so liebe Nachrichten bekommen. Zum einen, weil der Blog ziemlich aufwendig ist (zum schreiben und mit unserer bescheidenen Internet- Verbindung). Zum anderen weil wir dann immer merken, dass da Menschen sind, die in Gedanken mit uns sind. Wir erleben hier wirklich tolle Sachen, denken uns aber auch oft, wie gern wir diese Erlebnisse mit unseren Freunden teilen würden.
    Noch ein Kommentar zum "Hören": Schicke mir bitte mal Deine private Email- Adresse an knut.en.route@gmail.com.
    Ich "arbeite" da an etwas ;-) Würde mich interessieren, wie Du es findest. Ich habe es noch nicht veröffentlicht, weil ich es erst mal nur für uns mache und keinen Bock auf Musik-GEMA Gedöns habe.
    Lieben Gruß,
    Dein Danny

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