„Ihr wollt in
den Iran fahren?? Seid ihr noch bei Verstand? Das ist doch wahnsinnig gefährlich,
dort werdet ihr bestimmt entführt oder Opfer eines terroristischen Anschlags!
Außerdem bauen die an einer Atombombe und wer weiß wann die hoch geht…“
So ähnlich reagierte manch einer als er von unseren Reiseplänen erfuhr. Das ist das Bild das sich in unseren westlichen Köpfen vom Iran festgesetzt hat, geprägt von den Medien in denen immer nur über verrückte Präsidenten, islamistische Fundamentalisten und Hinrichtungen berichtet wird.
So ähnlich reagierte manch einer als er von unseren Reiseplänen erfuhr. Das ist das Bild das sich in unseren westlichen Köpfen vom Iran festgesetzt hat, geprägt von den Medien in denen immer nur über verrückte Präsidenten, islamistische Fundamentalisten und Hinrichtungen berichtet wird.
Was wir im alten Persien bis jetzt erlebt haben hat nichts, wirklich überhaupt nichts mit diesen Vorurteilen zu tun. Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen dass es irgendwo auf der Welt nettere, offenere und hilfsbereitere Menschen gibt. Es ist überwältigend wie sehr sich die Iranis freuen ausländische Touristen zu sehen. Wenn wir durch Dörfer und Städte fahren winken die Leute uns zu, hupen, fahren neben uns her und rufen „Welcome to Iran, thank you for coming! We are happy you are here! Enjoy your trip“.
Wenn ihr euch
einmal im Leben fühlen wollt wie ein Filmstar, reist in den Iran. Schon beim
Grenzübertritt werdet ihr überschwänglich begrüßt, einzig der rote Teppich fehlt.
Egal wo ihr aus dem Auto steigt, es dauert keine zwei Minuten bis jemand ein
Foto mit Euch machen möchte. Nach weiteren 2 Minuten habt ihr e-mail Adressen
und facebook-Kontakte ausgetauscht, meistens folgt obendrauf noch eine
Einladung zum Essen.
Das klingt
vielleicht ein bisschen anstrengend, aber die Menschen hier sind kein bisschen
aufdringlich, sondern in ihrer herzlichen Art sehr zurückhaltend. Das
entscheidet sie im Wesentlichen von den Türken, bei denen man eine Einladung
nicht ablehnen kann, ohne Gefahr zu laufen ihre Ehre zu verletzen. Außerdem
sprechen viele Iranis gutes Englisch, was die Kommunikation ungemein
erleichtert und uns einen „echten“ Austausch mit den Leuten ermöglicht.
Aber die meisten Einheimische loten die Grenzen des Erlaubten aus wo es nur geht, indem sie selbstgebrannten Whiskey trinken, Bier auf dem Schwarzmarkt besorgen, die Musik in ihren Autos bis zum Anschlag aufdrehen und das Kopftuch so weit nach hinten schieben dass es gerade nicht hinunterrutscht.
Nach dem
WM-Spiel der Iranischen Fussballmannschaft trafen sich die Leute auf der Straße,
feierten zu lauter Musik und Freudenfeuern. Dabei hatten sie nicht einmal gewonnen,
aber auf das 0:1 gegen Argentinien sind die Fans trotzdem stolz und feiern ihre
Mannschaft als wären sie Weltmeister geworden.
Fussball ist
allgemein ein großes Thema hier und ratet mal welche Mannschaft hier am
beliebtesten ist - genau, die Deutsche Nationalelf! Wir haben Männer getroffen
die alle Spieler der Mannschaft von 1990 aufzählen konnten und fest davon überzeugt
sind dass unsere Jungs es dieses Jahr endlich schaffen Weltmeister zu werden - „Inshallah“.
Die ewig
grimmige Mama bereitet morgens das Frühstück zu und der immer lächelnde Papa träumt
von einer Karriere als Polizist in Deutschland. Er ist ganz verliebt in unser
schönes Vaterland und schaut leidenschaftlich gern deutsches Fernsehen über
Satellit. (Stalliten-Fernsehen ist hier offiziell auch verboten, trotzdem
stehen die weißen Schüsseln auf jedem Hausdach).
Er stellte uns viele Fragen zum Leben in Deutschland: „Is it allowed to dance in Germany? Can
you dance with a woman? With every woman or only with your wife? Are all the
people who go to nightclubs bad?“ Fragen in
dieser Art wurden uns mittlerweile häufiger gestellt und die niedergeschlagenen
Gesichter die auf unsere Antworten folgen stimmen uns sehr nachdenklich. Während
wir uns die Freiheit nehmen ein ganzes Jahr scheinbar Sinn- und Zweck befreit die
Welt zu bereisen, können andere sich nicht einmal vorstellen wie es ist frei
tanzen zu dürfen…
Gleich am
ersten Tag durften wir mit auf die Hochzeit von Hossein’s Cousine. Die Hochzeitsgesellschaft wurde strikt nach Geschlechtern aufgeteilt. Ich musste mit der missmutigen Mama im
Frauen-Partyraum Platz nehmen, während Danny mit den männlichen Mitgliedern der
Familie den anderen Eingang ansteuerte. Ich staunte nicht schlecht als die
Frauen ihr „Hejab" (= Kopftücher und Mäntel) ablegten: ihre Röcke waren
nicht viel mehr als breite Gürtel, überall funkelte es und die Highheels auf
denen die Damen balancierten wären für mich die reinsten Knöchelbrecher. Ich fühlte
mich ein klein wenig underdressed, in meinem Schlafanzugähnlichen Iran-Outfit
und meinen dreckigen Turnschuhen. (Merke: ein Paar Pumps und das kleine
Schwarze gehören in jedes Frauen-Gepäck!)
Die Ladys
tanzten hingebungsvoll zur ohrenbetäubend lauten Volksmusik. Zum Trinken gab es
einen Becher Tee und kleine Snacks wurden aus diversen Handtaschen gezaubert. Meine
Gastmutter schob mir einen Keks rüber, als mich leichte Panik überkam. Ich
hatte seit dem Frühstück nicht mehr gegessen und wünschte mir nichts
sehnlicher als ein ausgiebiges Festmahl. Doch ich musste
bis weit nach Mitternacht ausharren bevor Suppe und Huhn aufgetischt wurden.
Anscheinend war ich nicht die einzig Hungrige: die Damen verschlangen die Köstlichkeiten
in Rekord-Geschwindigkeit und füllten sich sogar noch eine zweite Portion in
Plastiktüten, die in ihren Handtaschen verschwanden. Kaum waren die Teller
leer, war das Fest zu Ende und die Partygäste begleiteten das Brautpaar in
einem mörderisch fahrenden Autokonvoi nach Hause. Allerdings muss man sagen
dass es im Straßenverkehr hier allgemein recht anarchisch zugeht!
Hier noch ein
kleiner Einblick in den Männer-Party-Raum, so ging es zu als die Geschenke
hereingetragen wurden:
Eigentlich
wollten wir tags darauf weiter fahren, doch dieses mal durchkreuzten 3
Motorrad-Reisende unsere Pläne, die zufällig alle am selben Tag bei Hossein
eincheckten: Xerxes, ein gebürtiger Iraner, war auf dem Rückweg in seine
Wahlheimat England. Dimitris aus Griechenland machte ein paar Wochen Urlaub im
Iran und Antonio aus Belgien ist mit seinem Motorrad auf dem Weg nach Japan.
Wir saßen zusammen im kühlen Innenhof, tauschten Reise-Anekdoten und
e-mail-Adressen aus. Abends gingen wir alle zusammen Essen und diskutierten bei
einer Shisha über Klimaerwärmung und Verschwörungstheorien.
Da wir ungefähr
die gleiche Route hatten wie Antonio beschlossen wir die nächsten Tage zu Dritt
zu verbringen. Wenn uns jemand fragte in welcher Beziehung wir zueinander
stehen erzählten wir der Einfachheit halber Antonio sei mein Bruder. Eine
reisende Familien, das leuchtet den Leuten sofort ein, wohingegen die
Konstellation Ehepaar plus fremder Mann irgendwie unmoralisch erscheint.
Kurz vor
Kardovan, einem kleinen Dorf das man getrost als Mini-Kappadokien bezeichnen
kann, kampierten wir mit unserem lieb gewonnenen neuen Familienmitglied am
Fluss, grillten Hühnerschenkel überm Lagerfeuer und sehnten uns nach einem kühlen
Bier.
Bei unserer Fahrt am nächsten Tag machten wir gleich mehrere lehrreiche Erfahrungen: Während man in Deutschland und auch in der Türkei für eine Strecke von 250km gemütliche 3 Stunden braucht, sollte man dafür im Iran mindestens einen Tag einplanen. Der Verkehr in und um die Städte ist grauenvoll. „Nur-mal-kurz-Pause-machen“ gibt es nicht, denn für ein bisschen Smalltalk und Fotosession muss immer Zeit sein. Außerdem sollte man die angegebene Straßen-Kategorie auf der Landkarte zumindest kritisch hinterfragen.
Dafür ist der
Ausblick den man vor allem auf den Bergpässen hat einmalig schön!
Dreckig, schwitzend und erschöpft schlugen wir unser Nachtlager in einer Flussebene nahe Khal-Khal auf. Umringt von Feldern, Wiesen und Lehm-Ruinen.
Nach einer
wohlverdienten Kofferraum-Dusche machten sich die Jungs daran ein Feuer zu
entfachen und ich kochte uns zur Abwechslung mal Thai-Curry. Alles war bereit für
die Fortsetzung der Lagerfeuer-Romantik, doch kaum war die Sonne untergegangen
verdunkelte sich der Himmel und Milliarden von Mücken gingen zum Angriff über.
Binnen Sekunden waren die blutrünstigen Biester überall; uns blieb nichts
anderes übrig als uns im Bus zu verschanzen und das lodernde Feuer durch die
Scheibe zu bewundern.
Wieder einmal eine wichtige Lektion gelernt: Reisfelder bieten zwar eine wunderschöne Kulisse, aber vor allem sind sie Brutstätte für fiese, nimmersatte Blutsauger!
Den Großteil
des nächsten Tages versuchten wir das lästige Internet-Problem zu lösen. Wir
hatten bereits in Urmia SIM Karten für unsere Handys gekauft, aber aus
irgendeinem Grund konnte keiner von uns online gehen, geschweige denn die
zahlreichen Internet-Blockaden umschiffen mit der die Regierung versucht die
Bevölkerung von Facebook und Co fern zu halten.
Wie wir
mittlerweile wissen ist das Einrichten eines „freien“ Internets eine echte
Mammutaufgabe, die nur von besonders cleveren Spezialisten gelöst werden kann.
Leider fanden wir an diesem Tag in keinem der drei angesteuerten Handy-Läden
einen solchen Genius und ärgerten uns ein bisschen über die vergeudete Zeit.
Die abendliche Stellplatzsuche gestaltete sich dann auch noch extrem schwierig: an keinem der zahlreichen Wegen die von der Straße hinab zum Fluss führten fanden wir eine geeignete Stelle für Bus und Zelt. Es dämmerte bereits und Knut hatte sich in den niedrig hängenden Ästen eines Baumes festgefahren. Antonio fuhr schon mal voraus um weiter nach einem Stellplatz zu suchen und wir verabredeten uns an der nächsten Weggabelung. Als wir Knut endlich befreit hatten und an der vereinbarten Stelle ankamen fanden wir zwar einen akzeptablen Platz, aber von unserem belgischen Freund fehlte jede Spur. Wir hatten sein komplettes Gepäck im Auto, konnten ihn nicht anrufen, waren müde, erschöpft und ziemlich ratlos.
Zwei Bauern aus
dem nächsten Dorf bemerkten unsere missliche Lage und boten uns umgehend ihre
Hilfe an, so wie das im Iran eben üblich ist. Mohammed und sein Freund
schwangen sich auf’s Moped und pesten davon um nach meinem vermissten Bruder zu
suchen. Eine halbe Stunde später tauchte Antonio glücklicherweise wieder auf;
er hatte an einer anderen Abzweigung auf uns gewartet - nur fehlte jetzt vom
Suchtrupp jede Spur.
Die zwei Jungs kamen erst spät in der Nacht zurück und uns plagte das schlechte Gewissen. Aber anstatt genervt oder gar böse auf uns zu sein, schenkten sie uns ein Glas hausgemachten Joghurt und luden uns für den nächsten Tag auf einen Tee ein.
Es blieb
allerdings nicht bei einem Gläschen Tee, denn nachmittags fand im Dorf eine
Hochzeit statt die wir auf keinen Fall verpassen durften. Die zweite
Hochzeits-Einladung für uns innerhalb von nur sechs Tagen!
Nachdem wir im
Haus des Bauern ein köstliches Mittagessen serviert bekommen hatten, machten wir uns auf in den Gemeinde-Garten, in dem schon alles für die Hochzeitsfeier
vorbereitet war. Diesmal ging es weitaus liberaler zu und beide Geschlechter
feierten zusammen. Nur die Sitzordnung war streng getrennt und die Frauen
behielten ihre Kopftücher an.
Zur stark
verzerrte Musik des Alleinunterhalters mischten sich Männer und Frauen
auf der Tanzfläche, allerdings nach strengen Regeln: es durften immer nur
Familienmitglieder miteinander tanzen.
Das Brautpaar
saß die ganze Zeit auf einem prächtigen Plüschsofa in der prallen Sonne und
verfolgte das Geschehen mit versteinerter Miene.
Für uns europäische
Beobachter erschien auch diese Hochzeit reichlich seltsam, aber die
Dorfbewohner amüsierten sich offensichtlich prächtig. Vermählungen bieten ihnen
eine der seltenen Gelegenheiten sich herauszuputzen und die einzige Möglichkeit
mal so richtig die Sau raus zu lassen.
Um fünf Uhr nachmittags verabschiedeten wir uns von Mohammed und machten uns auf nach Masuleh, einem uralten, wunderschönen Dorf, mitten in den Bergen. Für die 35km lange Passstraße brauchten wir geschlagene 3 Stunden! Die Straße hat den Namen eigentlich nicht verdient und es ist ein Wunder dass sie auf unserer Landkarte überhaupt eingezeichnet ist. Die meisten Feldweg zuhause sind in besserem Zustand als diese Piste. Zu Fuß wären wir wahrscheinlich schneller gewesen, nur gut dass wir keinen Zeitdruck haben.
Antonio war mit
seinem Motorrad natürlich schon weit vor uns in Masuleh und hatte einen
kleinen Fanclub um sich versammelt als wir völlig durchgeschüttelt ankamen.
Er wollte sich
für die Nacht ein Zimmer nehmen und wurde bei der Suche nach einer Pension von
einem ehemaligen iranischen Bodybuilder-Champion unterstützt. Gut dass Antonio
seine Isomatte und einen Schlafsack dabei hatte - die Unterkünfte hier sind für
unsere Verhältnisse mehr als spärlich ausgestattet, eigentlich sind es einfach
nur Zimmer die mit Teppichen ausgelegt sind, ohne auch nur ein einziges Möbelstück.
Wir genossen
unseren letzten gemeinsamen Abend in der entspannten Atmosphäre des
touristischen Bergdorfes, aßen wie jeden Tag Kebab mit Reis und blubberten eine
schöne Verdauungs-Shisha.
Am nächsten Morgen mussten wir uns schweren Herzens von unserem lieb gewonnenen Freund und Bruder verabschieden. Er hat leider nur 4 Monate Zeit um von Belgien nach Japan zu kommen und sein straffer Zeitplan nicht mit unserem Schneckentempo kompatibel.
Der folgende Tag in Masuleh wurde einer der unterhaltsamsten unserer bisherigen Reise. Nach dem Frühstück schlenderten wir durch die Gassen und lernten in einer kleinen Kunstgalerie Mina und Hadi aus Teheran kennen. Die beiden wollten mal wieder Fotos mit uns machen - und was für welche :-)
Diese Kostüm-Fotos
werden hier überall angeboten, man darf sich eine Tracht aussuchen, wird
professionell eingekleidet und vor historischer Kulisse positioniert. Wie man
unschwer erkennen kann haben wir uns köstlichst amüsiert!
Unsere neuen Teheraner Freunde luden uns später auch noch zum Mittagessen in ein kleines Restaurant ein und ich fand endlich heraus dass es außer Hühnchen-, Lamm- und Rinderspießen auch vegetarische Gerichte gibt, man muss nur wissen wie man sie bestellt.
Nach dem Essen
trennten sich unsere Wege wieder, die beiden mussten zurück nach Teheran und
wir wollten den Nachmittag ganz entspannt auf der Terrasse eines Cafes
verbringen. Wir rauchten eine Wasserpfeife, stöberten ein wenig im Reiseführer
und genossen die entspannte Atmosphäre.
Doch plötzlich störte aufgeregtes Geschnatter unsere meditative Stimmung; etwas großes, lautes, ungewöhnliches war im Anmarsch; etwas das wir noch nie erlebt hatten. Ich blickte von meinem Buch auf und konnte kaum begreifen was als als nächstes geschah:
Eine 60-köpfige
Aerobic-Gruppe aus der Stadt stürmte auf uns zu. Die Damen waren bester Laune
und fanden es offenbar unheimlich aufregend zwei Blau-Augen aus dem fernen
Europa zu sehen. Sie scharten sich johlend und kreischend um uns, zückten ihre
Handys und filmten uns sogar. Jede einzelne der Fitness-Damen wollte ein Foto
mit uns machen. Bald schmerzten uns die Kiefer vom ewigen Dauergrinsen. Wir
genossen den Rummel um unsere Person und fühlten uns wie große Stars, waren
aber auch erleichtert als die Managerin endlich zum Rückzug pfiff.
Kaum hatten wir wir uns von dem Überfall erholt und uns wieder unserer jeweiligen Beschäftigung zugewandt, kam auch schon der nächste Fan an unseren Tisch. Dieses mal allerdings ein sehr entspannter Zeitgenosse. Der pensionierte Lehrer aus Shiraz interessierte sich für unsere Reise, unsere Meinung zum Iran und genoss es einfach mit uns zu plaudern. Er war mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar übers Wochenende in Masuleh und bestand darauf uns irgendwie behilflich sein zu wollen. Wir erlebten ein deja-vu als er uns zum Duschen und Abendessen in seine Ferienwohnung einlud. Bevor wir reagieren konnten bezahlte er auch noch unseren Tee und die Wasserpfeife.
So haben wir
innerhalb von 10 Stunden 2 mal geduscht, wurden 2 mal zum Essen eingeladen, 150
mal fotografiert, durften nicht mal unsere Rechnung im Cafe bezahlen und haben
neue Freunde in Teheran und Shiraz.
Wer jetzt
glaubt das wäre etwas ganz besonderes und purer Zufall der irrt gewaltig!
Eigentlich läuft fast jeder Tag hier so ab: wir haben einen Plan, wollen
irgendwo hin fahren, nur schnell einkaufen oder eine Kleinigkeit am Auto
reparieren lassen. Doch sobald wir anhalten, aus dem Auto steigen oder einen
Spaziergang machen treffen wir auf einen dieser wundervollen Iranis, die uns grüßen
als wären wir lang vermisste Freunde.
So wie der
Obstverkäufer in Fuma den wir nach einem Internet-Cafe fragten: er schaufelte
erst mal einen Teller voll mit Obst, holte Tee für uns, hieß uns in seinem
Obststand willkommen und lud uns zum Abendessen zu sich nach Hause ein.
Oder die nette
Familie am Fluss an dem wir eine Nacht schliefen: der Sohn kam mit einer Schale
Melone und der Einladung zum Essen an unseren Bus, kaum dass wir das Auto
abgestellt hatten. Besonders hilfsbereit und herzlich war die Familie des Werkstattinhabers in Quazvin. Nach einer kleinen Reparatur an Knut luden sie uns zum Mittagessen in ihrem Luxus-Apartment ein. Der Sohn war der Computer-Nerd den wir so lange gesucht hatten. Er schnappte sich das Handy und installierte allerlei verbotene Programme darauf. Seitdem sind wir wieder online und können sogar die lästigen Filter austricksen. Nach dem Mittagessen machte die ganze Familie inklusive uns einen ausgiebigen Mittagsschlaf bevor wir uns verabschiedeten um vor der Hitze in Quazvin zu fliehen.
Ja, die Hitze… wir
wussten ja dass der Sommer im Iran heiß ist. Aber als das Thermometer tatsächlich
auf 45°C kletterte hat es uns doch den Atem geraubt. In unserem dunkelgrauen
Bus ohne Klimaanlage fühlen wir uns ein bisschen wie Kebabspieße auf dem Grill.
Selbst der Fahrtwind hat nichts Erfrischendes mehr, es macht eher den Eindruck
als hätte der liebe Gott seinen Föhn eingeschaltet um uns noch ein bisschen
mehr zu quälen.
In den Städten
bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig als in einem Hotel einzuchecken -
ein Luxus den wir uns nicht oft leisten können. Wir versuchen unsere Route
jetzt mit dem WM-Spielplan abzugleichen, dann können wir in den klimatisierten
Hotel-Räumen wenigsten noch den Fernseher nutzen und mit unserer Fussball-Elf
bangen.
In den höheren
Lagen ist es glücklicherweise um einiges angenehmer, so dass wir jede Möglichkeit
nutzen um in die Berge zu fliehen.
Gerade haben
wir 3 Tage im Alamut-Valley auf gut 2000m Höhe verbracht. Die Berge sind
ziemlich karg und wenig einladend, aber sobald sich ein Fluss den Weg durch die
Schluchten bahnt erscheint die Umgebung in den sattesten Grüntönen. Am
idyllischen Evan-Lake werden die süßesten Kirschen angebaut die wir jemals
gegessen haben.
Das Alamut-Valley ist bekannt für seine mysteriöse Geschichte. In mächtigen Burgen haben sich vor 800 Jahren die berüchtigten Assasine vor ihren Feinden versteckt. Sie waren die Ritter des großen Hasan-e Sabbah und brachten in seinem Namen ungeliebte Staats- und Islammänner um die Ecke. Als Belohnung versprach er ihnen das Paradies, wo tausend willige Damen auf sie warten würden.
Der Film spielt in Afghanistan, eine Geschichte über die Entführung iranischer Diplomaten in den 90er Jahren. Der Mann mit der Plastik Kalashnikov war nur ein harmloser Komparse und die ausgebrannten Autofracks am Straßenrand bloß teil der Kulisse. Wir wurden herzlichst am Set empfangen und durften zuschauen wie die arme Schauspielerin gleich zehn mal ausgepeitscht und erschossen wurde bevor die Szene im Kasten war.
Für Danny war es natürlich besonders spannend den Ton-Meister kennen zu lernen. Onkel Hassan, wie er von allen Crew-Mitgliedern liebevoll genannt wird, ist ein ganz Großer im hiesigen Filmbusiness und einer der herzlichsten Menschen die wir bis jetzt kennenlernen durften. Er freute sich riesig einen Kollegen aus Deutschland zu treffen und die beiden tauschten sich über Equipment, Technik und Funkfrequenzen aus. Selbstverständlich wurden wir auch noch zum Mittagessen mit der Crew eingeladen und bekamen zum Abschied auch noch 2 Gläser Honig von Onkel Hassan und dem Regisseur geschenkt. Hier werden Set-Touristen anscheinend noch geliebt.
Die angesteuerte Burg war weniger spannend, nur ein paar übrig gebliebene Steinbrocken zeugen noch von der Epoche der Assasine und den Aufstieg über die rund 400 Stufen in sengender Hitze kann man sich getrost sparen.
Der große Canyon der am Fuß der Burg liegt war hingegen wieder ein echtes Highlight. Wunderschöne Felsformationen säumen den Fluss der dem Tal das Leben schenkt. Hier reihen sich etliche Obstgärten aneinander in denen Kirschen, Melonen und allerlei Beeren angebaut werden.
Hier durften
wir einer Familie bei der Beeren-Ernte helfen: die kleinen weißen Früchte,
deren Namen ich leider nicht weiß, wachsen an riesigen Bäumen und werden
einfach abgeschüttelt. Der Vater kletterte in den Baum und rüttelte an den Ästen,
während die Erntehelfer große Laken aufspannten in die die Beeren plumpsten.
Als Dank für die Erntehilfe durften wir ein bisschen auf dem netten Familien-Esel reiten.
Aus den Beeren haben wir später Marmelade gekocht die wir jetzt zum Frühstück auf unser selbst gebackenes Brot schmieren können. Das ist nämlich eine neue Lieblingsbeschäftigung von Danny: Steinöfen bauen und darin leckeres deutsches Brot backen. Kulinarisch gesehen ist das nämlich das einzige was wir wirklich vermissen! Was hier zu kaufen gibt ist hauchdünnes Nan, aus Wasser und Mehl. Wenn man es nicht direkt aus dem Ofen isst wird es trocken und hart und schmeckt nicht viel besser als die Süddeutsche. Aber was Brot angeht sind die Deutschen ja bekanntermaßen etwas eigensinnig…
Außerdem sind
wir gespannt was die größte und modernste Stadt des Iran so zu bieten hat; wir
hoffen ganz stark auf ein geschmuggeltes, kaltes, erfrischendes Bier zu einem
Fussballspiel!
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