7. Mai 2014

Türkei / Tag 20 bis 24 - culture clash #1

Was war noch mal der Plan? Ach ja, ursprünglich wollten wir nach Istanbul fahren… 
aber irgendwie hatten wir nach den Tagen auf dem Parkplatz Sehnsucht nach Ruhe und Natur - also haben wir die geplante Route mal wieder geändert und sind weiter Richtung Süden getingelt. Immer an der Küste entlang, bis an den westlichsten Zipfel der Türkei. 

Auf dem Weg lagen die Trümmer von Troja - eine wirklich einzigartige Sehenswürdigkeit mit samt Holzpferd, Amphitheater, Befestigungsmauern und uralten Tempeln; ein Hauch von antiker Mystik und Quelle echten Heldentums. Das zumindest versprach ich meinem Kulturmuffel Danny als wir uns neben unzähligen Reisebussen auf dem Parkplatz einreihten. 


Der IKEA artige Nachbau des Trojanischen Pferdes war zumindest noch witzig, aber von historischer Magie keine Spur… den einzigen Hauch antiker Mystik strahlten die umherirrenden Rentner aus, die Fotos von den scheinbar historischen Steinbrocken machten. Die Quelle des Heldentums entpuppte sich als vergitterte Höhle unter einem durchaus spannenden Feigenbaum, der unsere einzige Attraktion von Troja bleiben sollte. 



In der Nähe von Assos haben wir dann einen wundervollen kleinen Strand entdeckt, der sich als optimaler Stellplatz entpuppte: mit Feuerstelle, einer Menge Brennholz, Wasserquelle und einem besonders schönen Ausblick auf die griechische Insel Lesbos. Das Wetter wurde langsam besser und jeden Abend zogen Delfine an unserem Esszimmer vorbei - was für ein fantastischer Ort, welch Naturidyll, nur wir zwei und unser geliebtes Häuschen auf sechs Rädern: „hier bleiben wir erst mal“! 


Als wir zwei Tage später die Augen öffneten fanden wir uns in einem türkischen Wohnzimmer wieder! Nein, diesmal wurden wir nicht von den türkischen Behörden in eine sichere Gegend eskortiert und es war auch kein Alkohol im Spiel, vielmehr lag ein großes kulturelles Missverständnis vor. 

Begonnen hat die ganze Geschichte damit, dass Danny versuchte unser Abendessen aus dem Meer zu ziehen. 
Scheinbar erregten seine dilettantischen Versuche das Mitleid eines vorbeifahrenden Bauern der ihm klar machte dass weder unsere Angel, noch der Haken und schon gar nicht der Köder den Grill füllen würden. 



Damit mein Mann keine Gemüsevergiftung bekommt,  fuhren wir tags darauf auf den örtlichen Markt um uns ausreichend mit Grillgut zu versorgen. 

Dort trafen wir Adnan, den besagten Bauern wieder. Mit Hilfe eines dolmetschenden Metzgers verabredeten wir uns für den Nachmittag am Strand um von ihm in die Geheimnisse der Fischerei eingeweiht zu werden. Leider blieb auch an diesem Abend der Grill Fisch-frei (das Glück spielt beim Angeln wohl auch eine nicht unerhebliche Rolle). 



Adnan wollte uns aber nicht nur das Angeln, sondern auch das Dorf zeigen in dem er mit seiner Familie lebt.  Außerdem hat sich in dem beschaulichen Bauernort auch Günther niedergelassen, ein netter älterer Herr aus Bremen und guter Freund von Adnan, der uns abends im Kaffee erwarteten sollte.


Dieses Dorfkaffee hat recht wenig mit einer deutschen Kneipe zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen großen Marktplatz auf dem sich allabendlich die ansässigen Männer zum Chai-Trinken, palavern und Fernsehschauen einfinden. Touristen verirren sich so gut wie nie hierher und die Tatsache dass ich als einzige Frau dort auftauchte machte uns noch interessanter für die Teegesellschaft. So schüttelten wir unzählige Hände und hielten viel Smalltalk - so gut wir das mit Zeichensprache und fünf Happen Türkisch eben können. Günther erzählte uns vom Leben auf dem türkischen Land während Adnan uns etliche Runden Chai ausgab, solange bis der Wirt Feierabend machte und wir uns auf den Weg zurück zu unserem Bus machen wollten. 

Adnan bestand allerdings darauf uns noch seinen Esel, sein Haus und nicht zuletzt seine Familie vorstellen zu wollen. Nun gut, wann bekommt man schon mal Einblick in so ein echtes Bauernhaus! Nachdem er seine bereits schlafende Familie aufgeweckt hatte - es war schließlich schon elf Uhr abends - wurden wir in’s Wohnzimmer geführt und sofort mit Äpfeln und Orangen bewirtet. Das alles kam uns schon ein wenig eigentümlich vor, mitten in der Nacht in einem fremden Wohnzimmer zu sitzen, sich nicht unterhalten zu können und nebenbei das türkische home-shopping Programm zu verfolgen (dort wird im Übrigen keine shape-ware Unterwäsche sondern allerlei nützliche Gegenstände für den landwirtschaftlichen Bedarf angeboten). 
Immer wieder versuchten wir zu erklären dass es wirklich höchste Zeit für’s Bett sei und wir uns mit unserem „araba“=Auto wieder Richtung Strand begeben wollten. Den ersten Teil unserer Erklärung haben sie offenbar auch verstanden, aber freiwillig in einem Auto übernachten - das kam ihnen wohl recht eigentümlich vor, denn kurzerhand richteten die Damen nebenan ein Bett für uns her! 
Wir könnten auch ihr Bad benutzen und morgen um neun gibt es Frühstück - keine Widerrede. Wie soll man auch widersprechen wenn man kein Wort türkisch spricht und die Ehre des Gastgebers nicht verletzen möchte? 


Also fügten wir uns in unser Schicksal und verbrachten die Nacht auf einem steinharten, 60cm breiten Schlafsofa, umringt von Plastikblumen, Plastikgardinen und in Plastik gewickelter Wanduhren. Die ganze Nacht schrie der Esel unter uns im Stall und wir sehnten uns nach unserem Luxusbett im Bus. 
Das ausgiebige Frühstück am Morgen entschädigte uns aber voll und ganz! Fast alles auf dem Tisch kam aus eigenem Anbau und die Tomaten, Gurken, Eier und vor allem der Honig und Ziegen-Käse schmeckten himmlisch! 


Nach dem Frühstück haben wir dann auch noch eine exklusive Dorf-Führung von unserem neuen Freund bekommen und durften seine Zicklein füttern. 
Das war ein wirklich besonderes Erlebnis, dass wir wahrscheinlich verpasst hätten, würden wir besser Türkisch sprechen :-) 



Mittlerweile haben wir Assos wieder verlassen und hängen auf der wundervollen Insel Cunda ab. Danny versucht weiterhin Fische zu fangen und ich koche sicherheitshalber schon mal ein bisschen Gemüse. Hier auf dem Campingplatz legen wir noch ein paar Tage Zwangspause ein und warten auf unsere Pässe inklusive Iranvisum die uns aus Deutschland geschickt werden.


Allerdings können wir es kaum erwarten weiter zu fahren, haben wir doch jetzt Unmengen vielversprechende Reisetips von Brigitta und Norbert auf der Karte eingezeichnet. Die beiden Bremer sind schon seit Jahren immer wieder mit dem Bus in der Türkei unterwegs und haben uns ihre geheimsten Stellplätze verraten; hoffentlich treffen wir sie an dem ein oder anderen Ort wieder, denn wir haben die beiden sofort in’s Herz geschlossen! 


*** So far, so Knut ***

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