Bevor wir uns nach Usbekistan aufmachten, hatten wir auf der Seite des Auswärtigen Amtes eine sehr beunruhigende Info gelesen, wonach man für die Einreise mit Campingbus eine schweineteure Sondergenehmigung braucht. Ohne die könne man höchstens mit hoher Strafgebühr in’s Land gelangen. Um eine Genehmigung zu beantragen war es zu dem Zeitpunkt allerdings schon viel zu spät. Außerdem hatten wir von anderen Reisenden noch nie etwas von diesem Sonder-Wisch gehört. Wir ließen es also drauf ankommen…
Trotzdem nähern wir uns dem Zollbüro an der Grenze mit mulmigem Gefühl in der Magengrube - aber hier scheint niemand von irgendwelchen Genehmigungen zu wissen - zumindest fragt uns keiner danach. Ganz im Gegenteil: die Beamten sind sogar sehr freundlich und fertigen uns in kürzester Zeit ab. Bei der oberflächlichen Auto-Durchsuchung fällt dem Zöllner unser Yenga-Spiel in die Hände: „What’s that?? Show me!!“ Wir spielen also eine Runde Holzklötzchen stapeln mit ihm und können ihn davon überzeugen dass keine potentielle Gefahr von dem Gesellschaftsspiel ausgeht.
Erster Stop in Usbekistan ist also mal wieder eine Werkstatt. Der Schlauch ist ratz-fatz repariert und der nette Mechaniker will nicht mal Geld dafür haben. Ein paar Fotos von uns und Knut sind ihm Lohn genug. Deutsche Werkstätten sollten sich wirklich mal ein Beispiel an ihren Kollegen im Ausland nehmen; zumindest was die Bezahlung angeht. Die usbekische Art des Auto-Aufbockens wäre sicher nicht ganz TÜV konform...
Am Nachmittag erreichen wir unsere erste Station in Usbekistan: Bukhara.
Schon von weitem leuchten die blauen Kuppeln der Moscheen über den sandfarbenen Gemäuern.
Knut stellen wir mitten im Zentrum, auf einem Parkplatz ab. Niemanden stört es dass wir hier die nächsten fünf Tage campen - es interessiert die Leute nicht mal besonders. Nach all dem Rummel im Iran sind die ignoranten Usbeken zugegebenermaßen die reinste Erholung für uns, wir fühlen uns fast wie daheim.
Jeden Tag schlendern wir durch die wunderschönen Gassen, unterhalten uns mit den Souvenir-Verkäufern und kaufen selber zum ersten mal ein paar Mitbringsel.
Am vierten Tag wird es so brütend heiß, dass wir es schon um 10:00 Uhr morgens kaum noch aushalten. Wir beschließen an einen nahe gelegenen See zu fliehen, der laut der Einheimischen „very, very beautiful“ sein soll. Besser als in der Stadt zu bleiben ist es allemal.
Die Straßen dorthin sind alles andere als „beautiful“, aber unser Knut ist ja schon einiges gewohnt und schleppt sich bei 48°C mühelos über meterhohe Spurrinnen. Wenn wir es nicht sicher wüssten, wir hätten hier in der Gegend niemals einen See vermutet. Nur staubige Steppe soweit das Auge reicht, kein Baum, kein Busch, nur ein paar welke Grashalme neben der Straße. Doch tatsächlich taucht wie aus dem Nichts ein riesengroßer See auf. Wir können es kaum erwarten in’s Wasser zu springen.
Bevor wir weiter fahren schenken wir einem jungen Mann mit Kuh an der Raststätte noch Dannys alte Adidas-Schuhe.
Ganz anders im Zentrum: die gesamte Altstadt wurde vor einigen Jahren neu gestaltet: alte kaputte Pflasterwege wurden durch breite, asphaltierte Prachtstraßen ersetzt. Viele kleine Stadtparks wurden angelegt und um die alten Viertel, in denen die Bürger von Samarkand größtenteils leben, wurden Mauern gezogen. Scheinbar damit sich die vielen Touristen dort nicht verlaufen können.
Die vielen Moscheen und Medresen sind natürlich immer noch wunderschön anzusehen und stehen unverändert an ihrem Platz, aber die Stadt versprüht nicht annähernd den ursprünglichen Charme wie das bezaubernde Bukhara.
Nach einem feuchtfröhlichen Abendessen mit unseren Passagieren spazieren wir noch etwas durch das nächtliche Samarkand und schlafen dann auf dem Parkplatz neben einem Stadtpark.
Die Reperatur dauert fast den ganzen Tag, kostet letztlich aber gerade mal 20€ (inklusive Trinkgeld und Mittagessen). Da machen Werkstattbesuche wirklich Spaß.
Wir stehen ein paar Minuten stauend am Zaun und beobachten die mindestens 500 Gäste wie sie sich an den üppigen Speisen laben, die Gläser heben und zur Live-Musik tanzen. Gerade als wir wieder aufbrechen wollen werden wir von einem Gast herein gewunken. Er stapelt Hühnchenkeulen und Bratenstücke auf zwei Teller und heißt uns herzlich willkommen. Nun sind wir mittendrin im Geschehen: ein Gast nach dem anderen will mit uns anstoßen und schenkt uns Wodka ein.
Ich halte mich unauffällig zurück und nippe immer nur ein bisschen am Glas. Danny hingegen genießt es in vollen Zügen und kippt den Schnaps so hemmungslos hinunter als wäre er ein echter Russe. Nach ein paar Tanzeinlagen und einem Besuch auf der Bühne bringe ich meinen schwankenden Mann in’s Bett. Spätestens am nächsten Morgen wird ihm auch klar dass durch seine Adern kein sowjetisches Blut fließt.
Den folgenden Tag verbringen wir mit ein bisschen Sightseeing. Auf dem Bazar kaufen wir frische koreanische Salate und picknicken auf dem Gehweg vor einer Moschee. Dort laufen uns zwei alte Bekannte über den Weg: Christel und Yannik. Die beiden sind mit dem Fahrrad aus Frankreich hierher gefahren. Wir haben sie bereits in Teheran vor der Usbekischen Botschaft getroffen und damals mit ihnen die geschenkten Nüsse und Datteln geteilt.
Unglaublich dass sie genauso lange nach Samarkand gebraucht haben wie wir. Um genau zu sein sind die beiden fast auf den Tag genau so lange unterwegs wie wir - nur eben mit dem Fahrrad. Allerdings sind sie per Anhalter durch die Turkmenische Wüste gefahren und haben auch die Strecke nach Samarkand auf einem Pickup zurück gelegt - ein bisschen Schummeln ist ja erlaubt. Wir haben die größte Hochachtung vor den beiden und bieten ihnen eine Mitfahrgelegenheit nach Tashkent für den nächsten Tag an.
Die letzte Nacht in Samarkand campieren wir zusammen, direkt vor dem Mausoleum Timur des Großen. Doch unsere Schlafplätze könnten unterschiedlicher nicht sein: während wir in unserem 1,40m breiten Luxusbett, hinter verschlossenen Türen nächtigen, rollen die beiden hartgesottenen Franzosen ihre Isomatten auf dem Gehweg aus und schlafen einfach unter freiem Himmel. Überhaupt sind die beiden äußerst bescheiden unterwegs: Sie geben nie mehr als 5$ pro Tag aus, Christel ist mit einem Fahrrad unterwegs dass sie mit 14 von ihrem Opa geschenkt bekommen hat und das Gepäck ist auch sehr knapp bemessen. Wirklich bewundernswert, aber tauschen möchten wir nicht.
Nach einigem Hin- und Her, Gefrage und Gekurve können wir das verheißungsvolle Blau zwischen den Wiesen durchblitzen sehen. Doch ein wütender Bauer versperrt uns den Feldweg: er schreit und fuchtelt und irgendwie ist uns klar dass wir hier nicht Baden gehen werden…
Wir fragen die Leute an der Straße wo wir Abkühlung finden können und ein rundlicher Melonenverkäufer springt in sein Auto und weißt uns den Weg - zu einem Angel-Weiher. Hier darf man zwar bis an’s Wasser, aber nur um Fische zu fangen. Baden strengstens verboten! Der Betreiber des Kiosk versucht für uns den Pool eines Bekannten klar zu machen, aber der ist anscheinend gerade selber am Schwimmen und hat verständlicherweise keine Lust auf Touristen.
Dann wird uns ein Kanal vorgeschlagen in dem man Baden kann. Da der Weg dorthin recht kompliziert ist erklärt sich ein Angler bereit uns zu begleiten. Wir können es kaum mehr erwarten endlich in’s Wasser zu hüpfen.
Am Badeplatz angekommen wartet allerdings schon die nächste Enttäuschen, zumindest auf Christel und mich. Hier planschen bereits ein paar Badegäste - ausschließlich männlicher Natur. Alle gaffen uns an und warten gespannt darauf dass wir unsere Kleider vom Leib reißen. Wir begnügen uns damit die Füße in’s Wasser zu hängen und unseren Jungs beim Planschen zuzuschauen.
Etwas weiter Kanal-abwärts finden wir später einen schönen ruhigen Stellplatz für Knut und das Zelt der Radler. Zwei dickbauchige, pensionierte Polizisten sitzen am Ufer und genehmigen sich gerade ihre zweite Flasche Cognac als wir unser Lager aufschlagen. Sie beteuern immer wieder dass wir die allerersten Ausländer sind die hier auftauchen und sie sich darüber wahnsinnig freuen. Falls wir irgendwelche Probleme haben sollten, wir müssen sie nur anrufen, immerhin waren sie ja mal bei der Polizei.
Als wir fragen wo der nächste Supermarkt zu finden ist wird nicht lange gefackelt: die sternhagelvollen Herren setzen sich in ihren LADA und kutschieren Danny zum Einkaufen in’s nächste Dorf. Ich bin schon sehr erleichtert als er eine halbe Stunde später wohl behalten, mit frischem Fleisch und Gemüse zurück kommt. Wir schmeißen den Grill an und machen uns ein leckeres Abendessen. Wir laden ihn um Essen ein, teilen mit ihm unser Bier und die letzten Schlückchen Wodka. Er trägt ein Gedicht nach dem anderen vor, immer einleitend mit dem Satz „Der berühmte Deutsche Dichter … schrieb einmal:“ Seine Euphorie ist kaum zu bändigen. Erst als er Danny auch noch im Schach geschlagen hat und der Wodka ihm zu Kopf steigt verabschiedet er sich mit dem Versprechen sich auch morgen um uns zu kümmern.
Als wir uns dem Boot nähern wird uns allerdings klar dass ein usbekischer Katamaran nichts mit dem zu tun hat was wir darunter verstehen…
Am nächsten Tag müssen wir uns leider schon wieder vom Dorflehrer verabschieden. Zum Abschied schenken wir ihm ein Foto und ein selbst geschriebenes Gedich, bevor wir uns letztendlich vom Acker machen und den traurigen Herrn zurück lassen.
Auf dem Weg zur kasachischen Grenze werden wir mal wieder von der Polizei aufgehalten. Das passiert eigentlich jeden Tag den wir auf der Straße unterwegs sind. Überall gibt es Verkehrskontrollen, Checkpoints oder Geschwindigkeitsmessungen. Dieses mal wurden wir anscheinend geblitzt. Der Polizist sagt „machine, Boing“ womit er wohl meint unser Auto sei so schnell unterwegs wie das besagte Flugzeug. Wir lachen herzlich darüber, erklären dass wir gerade mal 70 gefahren sind und außerdem keine Dollar haben. Letztendlich gibt er auf und winkt uns weiter. Genau wie bei all den Kontrollen davor und danach auch.
Prinzipiell kein Problem, nur haben wir fast keinen Diesel mehr im Tank. Auch das ist in den meisten Ländern kein Problem, aber in Usbekistan kann es uns in echte Schwierigkeiten bringen. Im Land gibt es so gut wie keinen Diesel zu kaufen, zumindest nicht auf legalem Weg. Wenn man Glück hat findet man auf dem Schwarzmarkt billigsten Diesel abgefüllt in Plastikflaschen, aber auch das ist nicht garantiert.
Wir hatten vorsorglich 80l Treibstoff in Kanistern dabei. Als die fast aufgebraucht waren haben wir einen Iranischen LKW-Fahrer an der Raststelle um Diesel angehauen, den er uns bereitwillig aus seinem Tank abgepumpt hat. (Unser „my love Iran“ Aufkleber hat uns in dem Fall gute Dienste geleistet.)
Auf usbekischer Seite wird das Auto sehr oberflächlich durchsucht, alle Dokumente werden problemlos gestempelt und wir können nach 20 Minuten vor die Kasachischen Tore fahren. Dort warten wir zusammen mit einer Gruppe Schweizer die mit der „Mongol Rallye“ unterwegs sind auf Einlass. Ziel dieser Rallye ist es so schnell wie möglich von London in die Mongolei zu kommen. Der Rekordhalter hat die Strecke in gerade mal 5 Tagen zurück gelegt. Der Sinn einer solch rasanten Fahrt entzieht sich unserer Vorstellungskraft… Die Jungs und Mädels machen auf uns einen ziemlich gestressten Eindruck und die Wartezeit an der Grenze setzt sie offensichtlich sehr unter Druck. Wieder einmal sind wir sehr froh um die viele Zeit die wir haben und möchten um nichts in der Welt tauschen.
Oh, wie schön!!!!
AntwortenLöschen